MEIN
LEBEN
FÜR GOTT
Verfasst
v.
Barbara
Weigand
85jährig.
„Darum
wurde
ich vom
Herrn
aufgefordert
niederzuschreiben,
wie
solche
Ungerechtigkeiten
vom
lieben
Gott
bestraft
werden“.
„Wer es
fassen
kann,
der
fasse
es.“ MP3 Download
54 Min.
47 Sek.
Mein Leben
Von
Barbara
Weigand
selbst
aufgeschrieben
im
Jahre
1896
auf
Geheiß
ihres
Bischofs.
Sie
wurde
geboren
am
10.
Dezember
1845
in
Schippach.
Meine
Eltern
waren
fleißige,
brave
Landleute.
Mein
Vater
war an
fünfzehn
Jahre
Bürgermeister
und kam
als
solcher
viel in
Verkehr
mit
Beamten,
die ihn
mit in
die
Gesellschaft
hineinzogen.
Obwohl
er ein
guter
Familienvater
war, kam
er
dadurch
auf
Abwege. Er
lernte das Trinken. Der liebe Gott aber ließ durch die vielen Tränen und das Gebet
der Mutter aus dem Bösen Gutes entstehen, indem alle sieben Kinder, drei Knaben
und vier Mädchen daraus einen entschiedenen Abscheu gegen alles Trinken faßten,
und ganz
von der
Welt
abgezogen
wurden.
Barbara Weigand an der Kirchentüre St. Antonius in Schippach.
Er starb fünfundfünfzig Jahre alt, gut vorbereitet
auf seinen Tod. Auf dem Sterbebett sagte er: „Ich habe meiner Frau vielen Kummer
gemacht. Wenn ich nochmals beginnen könnte, würde ich anders leben.“ Meine Mutter war eine kleine, schwächliche Frau und durch den vielen Kummer schon
zu Lebzeiten ihres Mannes viel ans Krankenbett gefesselt, oft sechs Wochen lang.
Sieben Mal allein hatte sie die Lungenentzündung. Wir Kinder wurden frühzeitig zu
harter Arbeit genötigt, um den täglichen Unterhalt zu verdienen. Ich war die zweitälteste
und stärkste von allen, und geweckten Geistes, und mußte, weil meine Mutter meist
krank, die ältere Schwester wenig begabt und schwächlich war, als Mutter für die
übrigen sorgen, kaufen und verkaufen etc. und das Hauswesen führen, weshalb auch
die anderen Kinder mich als Mutter titulierten. Daher kam dann auch meine spätere
so ernste Richtung.
Bis die Zeit kam, wo ich mich zu einem Stand entscheiden sollte, betete ich viel,
besonders Bußübungen, so daß ich von meinen Schwestern oft ausgelacht wurde. Das
alles tat ich, um mich zu prüfen, und weinte sehr viel. Vordem war ich eitel, stolz
und putzsüchtig, aber sehr fleißig und tätig Tag und Nacht. Morgens in aller Frühe
ging ich in den Wald, um Holz und Streu zu sammeln für den Tag, denn vor der Feldarbeit
mußte dies alles geschehen sein. Es kam aber die Zeit, wo ich mich für einen Lebensberuf
entscheiden sollte. An Freiern fehlte es nicht, denn die Familie war geachtet und
somit waren meine Eltern entschlossen, mich einem braven jungen Mann anzuvertrauen.
Ich verlobte mich mit ihm, und das Haus für uns beide war schon gebaut. Doch schon
das ganze Jahr vorher war ich so still und zurückgezogen, daß der junge Mann öfters
fragte: „Wie ist´s doch möglich, daß, wo andere sich so freuen, es dir gar keine
Freude zu machen scheint.“ Ich hatte nämlich innerlich einen großen Kampf und stellte
mir immer die zwei Fragen: Kann ich auch im Ehestand Gott so lieben und dienen,
wie im jungfräulichen Stand? Dazu kam, daß ich eine fromme Jugendfreundin hatte,
die selbst Jungfrau bleiben wollte. Ihre Gespräche hatten großen Einfluß auf mich.
Sie sprach zuweilen so begeistert von der Liebe der heiligen Jungfrauen zu Jesus,
daß ich bei mir dachte: „Ach, wenn du doch auch so leben könntest.“
So kam Maria-Himmelfahrt, und wir gingen trotz des schlechten Wetters in eine Feldkapelle,
wo Muttergottes-Wallfahrt war. Da betete ich inständig zur Königin der Jungfrauen,
daß ich doch den rechten Weg einschlagen möge. Da, nach der heiligen Kommunion fühlte
ich zum ersten Mal die Nähe meines Gottes im heiligen Sakrament. Auf dem Heimweg
sagte ich zu meiner Begleiterin, wir wollen Mariä Geburt wieder hierhergehen. Aber
das schlechte Wetter vereitelte dies. Wir gingen in unsere Pfarrkirche. Auf dem
Weg dorthin begegnete uns der neu angekommene Kaplan und sagte: „Wo wollt ihr hin?“
Der Geburtsort Sch. (Schippach) ist nämlich nur eine kleine Filiale der Pfarrkirche
von E. (Elsenfeld). Wir antworteten ihm, daß wir beichten wollten, worauf er erwiderte:
„So könnt ihr in eurer Filialkirche beichten, denn ich bin euer Kaplan.“ Derselbe
scheint sich später meines inneren Kampfes erinnert zu haben. Als ich ihm bei Gelegenheit
seiner Versetzung dankte für alle Mühe, die er sich um meine Bekehrung gegeben,
erwiderte er: „Nein, als ich kam, da waren Sie schon bekehrt.“
Obwohl ich damals noch nicht wußte, welchen Stand ich antreten sollte, hatte ich
schon das Verlangen, alle drei Wochen die heilige Kommunion zu empfangen. Von dort
an fing der himmlische Gärtner an, dieses aufgewühlte Feld meines Herzens zu bearbeiten.
In mir kam kein anderer Gedanke mehr auf als: „Arbeite dich aus der Welt heraus,
mach dein Herz frei. Dein Herz ist unruhig, bis es ruht in Gott.“ Deshalb wurde
ich oft zur Rede gestellt: „Warum bist du so traurig, so ganz anders wie andere?“,
denn das Haus war schon gebaut. Mein Bräutigam klagte meiner Schwester M. seinen
Verdruß, und diese schalt mich oft aus, warum ich den braven Menschen so hinhalte,
ich müsse wohl verrückt geworden sein. Ich dachte aber immer bei mir: „Nein, ich
kann nicht heiraten, ich will nur Gott dienen.“ Oft und oft fragte ich meinen Beichtvater
um Rat. Dieser aber, der den Wankelmut eines jungen Mädchens erwog, riet mir offen,
er könne mir durchaus nicht abraten. Er habe sich nach dem jungen Mann erkundigt,
und er sei nur zu empfehlen. Die Kirche müsse sehr viel auf gute Mütter sehen, ohne
welche es keine Priester und keine Klosterfrauen gebe.
Nun begann für mich eine Zeit furchtbaren Kampfes. Tag und Nacht konnte ich nicht
mehr ruhen. Die Liebe Gottes war so stark in mir, daß ich glaubte, ich könne alle
menschlichen Bande zerreißen, doch wußte ich nicht, welches der geeignete Augenblick
sei. Dies dauerte ein ganzes Jahr. So kam der schöne Monat Mai und ich dachte, diesen
Monat die liebe Gottesmutter recht vertrauensvoll in dieser Angelegenheit zu bestürmen.
Einmal kniete ich nun vor meinem kleinen Maialtärchen, um mit meiner jüngeren Schwester
die übliche Abendandacht zu verrichten. Jene war schon zu Bett gegangen, und ich
kniete bis gegen Mitternacht und betete unter Strömen von Tränen, denn ich traute
mir selbst nicht. Ich dachte immer, es könne auch nur weibliche Einbildung sein,
die morgen wieder verwirft, was sie sich heute vornimmt. Da, auf einmal sah ich
in der dunklen Nacht, aber weit entfernt von mir, die liebe Muttergottes. Ein Lichtstrahl,
der von ihr ausging, traf meine Seele und es ward ruhiger in mir. In der Frühe des
andern Tages kniete ich wieder im Beichtstuhl, aber nicht in meinem Geburtsort,
sondern 1 ½ Stunden davon entfernt in Kleinwallstadt, wo ich den Bischöflichen Geistl.
Rat N., einen klugen, erfahrenen Priester, zu Rat zog. Diesem erzählte ich mein
ganzes Leben und auch den Kampf in mir wegen meiner bevorstehenden Berufswahl. Dieser
Herr sagte ganz entschieden: „Mein Kind, ich sehe hier an dir eine höhere Hand walten.
Ich glaube nicht, daß du berufen bist, in den Ehestand zu treten. Laß den Jüngling
nur noch ruhig gehen und verdopple dein Gebet! Sag auch dem Beichtvater, er solle
für dich beten, und auch ich will am Altar deiner gedenken. Ich versichere dich,
daß der liebe Gott dir noch ein deutlicheres Zeichen gibt, was dein Beruf ist.“
Bald darauf ging ich dann wieder beichten in meiner Dorfkirche, und brachte wie
immer mein Anliegen vor, und wiederholte ihm auch die tröstlichen Worte, die mir
ein alter, erfahrener Priester gesagt hatte. Nun war mein Beichtvater auf einmal
wie umgewandelt. Zehn Monate schon kämpfte ich unter beständigen Tränen und Gebet.
Ich legte mir allerlei Bußübungen auf, aber alles im Geheimen. Niemand wußte davon
als meine gute Schwester Marie, die später Klosterfrau geworden ist. Jetzt sagte
mein Beichtvater, der mir bisher immer abgeraten: „Ja, ich sehe freilich auch längst,
daß der liebe Gott dich nicht im Ehestand haben will. Nur soll er dir aber auch
die Kraft geben, daß du alle Hindernisse überwinden kannst. Gut, wir halten zusammen
eine Andacht.“ Es war im Juni. Wir hielten vor dem Herz-Jesu-Fest eine neuntägige
Andacht mit einigen Personen. Am dritten Tag schon war der Kampf gewonnen. In der
Nacht vorher hatte ich nämlich einen auffallenden Traum: Ich befand mich in einer
großen Kirche, die dicht mit Menschen angefüllt war, die alle sehnsüchtig der Kirchentür
entgegensahen, weil sie den Einzug eines Hochzeitszuges erwarteten. Die Türen öffneten
sich, und herein kam die liebe Muttergottes mit ihrem Hofstaat, der aus lauter Jungfrauen
bestand. Als sie sich der Menge genähert, trat sie aus ihrer Umgebung hervor, ging
bald an diese, bald an jene Bank, einer Person etwas ins Ohr flüsternd, worauf dieselben
wie von einem himmlischen Glanz umgeben schienen. Ich dachte bei mir: „Dir kann
sie halt nichts sagen, denn du hast doch zu weltlich gelebt“, und weinte bitterlich.
Auf einmal klopfte sie mich sanft auf die Schulter und gar liebreich sah mich die
liebe Muttergottes an, und sagte: „Was du tun willst, das tue bald! Du willst ein
Gelübde ablegen. Tue es und du wirst noch viele Gnaden erhalten!“
Auch meine Schwester Marie, die mich immer sehr ausgezankt, daß ich dem jungen Mann
so fremd bleibe, bekam ein Zeichen. Sie sah beim Morgengebet das göttliche Herz
Jesu und sie verstand, daß sie mir nicht länger in den Weg treten solle. Ebenso
erhielt mein Beichtvater ein Zeichen. Beim Abendgebet sah er mich plötzlich lebend
vor sich, und erkannte zugleich, daß ich nicht zum Ehestand berufen sei. Am folgenden
Morgen konnte ich in aller Gemütsruhe dem jungen Mann sagen, daß ich nie heiraten
werde. Und das war die Gnade, die hatte gesiegt über die sinnliche Liebe. Das erste,
was ich nun tat, war eine gute Generalbeichte, denn ich wollte vor allem alles aus
der Wurzel ausreißen mit einer recht tiefen Beschämung. Und Gott sei mein Zeuge,
daß ich mir von dort an große Mühe gab, ihm zu gefallen und alle Sünden meines vergangenen
Lebens gut zu machen, wenigstens zu verbessern. Das ging aber alles nicht so glatt
ab. Solang ich mit der Welt hielt, war alles recht. Jetzt aber alles umgekehrt.
Meine Schwester Marie schloß sich mir an und noch einige junge Mädchen. Damals waren
meine Geschwister noch alle sehr jung und klein. Aber es kam die Zeit, wo die Brüder
ihre eigene Hauswirtschaft gründen wollten. Da erhob sich denn auch in der Familie
der Widerspruch, und wir hatten von allen Seiten viel zu leiden.
Ich war von Jugend auf sehr zornmütig, herrschsüchtig, stolz und habsüchtig. Ich
wollte um jeden Preis, daß unsere Familie nicht der Welt zum Spott werde, darum
arbeitete ich lieber Tag und Nacht und trieb die anderen Geschwister an, das Gleiche
zu tun. Und wirklich sagte vor einigen Jahren eine Frau zu mir, ihr Vater habe unsere
Familie immer als Muster vorgestellt. Daher kommt es, daß ich immer so ängstlich
bin und meine, ich könne getäuscht sein, denn ich kann nicht begreifen, wie der
liebe Gott, der ein so unendlich reiner Geist ist, ein so unwürdiges Werkzeug erwählen
könne, um durch dasselbe seine unendliche Liebe und Erbarmung der Welt zu offenbaren.
Im Gehorsam nur schreibe ich dieses. Mögen diejenigen, denen das Recht zusteht,
den Geist, der daraus spricht, prüfen, und tun, was sie für gut finden. Obwohl ich
keine jener Seelen bin, die den lieben Gott vielleicht nie schwer beleidigt haben,
so geht aber auch daraus hervor, wie unendlich gut der liebe Gott sein muß, und
wie sehr er verlangt, alle Menschen zu retten. Weil ich merkte, mit wie vielen Ketten
ich an diese Welt angeschmiedet war, suchte ich mit Eifer die Hilfsquellen auf,
die das umstrickte Herz losreisen sollten, um es vom Verlangen nach dem Irdischen
abzuziehen und zu himmlischen Begierden zu erheben. Ich legte mir zeitweise strenge
Fasten auf. Lange Jahre versagte ich mir das Obst und das Fleisch, im Winter sogar
manchmal das Brot, und aß nur Kaffee oder Suppe und Kartoffel; denn in der Nachbarschaft
wohnten zwei arme Knaben, die sich mit ihrem alten, kranken Vater gar kümmerlich
ernährten. Diesen brachte ich heimlich manchen Laib Brot. Ja, als der Vater gestorben
war, und einer dieser braven Jungen krank wurde, versagte ich mir einen ganzen Winter
lang das Brot, um die armen, verlassenen Knaben unterstützen zu können. Und als
dieser starb, ließ er mich rufen, schlang seine beiden Hände um meinen Hals und
rief: „Liebe Schwester, Gott vergelte es Dir, was du an uns getan. Gott segne deine
ganze Familie bis hinauf ins vierte Glied, denn du hast uns vom Hungertod errettet.“
Ich war aber auch damals so geschwächt, daß ich übern Gehen einschlief. Ich mußte
dieses unbedingt an mir absparen, denn meine Mutter war selbst arm und hatte zahlreiche
Familie. Auch ging ich immer gern zu Kranken und Sterbenden, und manche Nacht durchwachte
ich am Krankenbett, sogar in benachbarte Orte wurde ich gerufen. Einmal nun wurde
ich nach Elsenfeld ins Pfarrhaus gerufen, um einer alten Tante beizustehen, die
schwerkrank war. Zwei Nächte wachte ich bei ihr. Als dieselbe beerdigt wurde, zeigte
mir der liebe Heiland zum ersten Mal, wie sehr er die Nächstenliebe belohne. Es
war dort Sitte, daß alle Jungfrauen Sträußchen Blumen bekamen, die sie ins Grab
warfen. An mich aber, obwohl ich der Sterbenden zwei Nächte geopfert hatte, dachte
man nicht, man gab mir keines. Niemand lud mich ein, während andere mit ins Haus
gehen durften. Dieser Undank tat mir sehr weh und ich klagte es beim Seelengottesdienst
dem lieben Heiland und bat ihn, mich doch zu entschädigen. Als nun am Muttergottesaltar
eine heilige Messe gelesen wurde, und der Priester bei der heiligen Wandlung die
heilige Hostie emporhob, sah ich den Priester wie in einem dichten Nebel stehen
bis zur Kommunion. Als der Priester aber kommunizierte, fiel ein Strahl zurück auf
mich, und ich war wie vernichtet. Dort zeigte er mir zum ersten Mal, wie sehr er
uns zu beglücken wünscht in der heiligen Kommunion. Ich traute mir immer nicht,
darum bot ich alles auf, um das Herz vom Irdischen loszureißen und an Gott zu fesseln.
Ich ließ mich in den Dritten Orden und in viele Bruderschaften aufnehmen, um gezwungen
zu sein, den Gebetsgeist pflegen zu müssen, um allem unnützen Denken und Reden vorzubeugen.
Als ich nun bei meinem Beichtvater, nachdem er mich ein ganzes Jahr geprüft hatte,
das Gelübde der ewigen Keuschheit abgelegt hatte, machte er einmal die Bemerkung:
„Fahre fort in diesem Eifer, und du wirst noch viele und große Gnaden erlangen.“
Mit jedem Jahr wuchs in mir das Verlangen, Gott eifriger dienen zu können und ihm
auch Freude zu machen. Darum kannte ich keine größere Freude, als ihn in mich aufzunehmen.
Zu Hause hatte ich keine Gelegenheit dazu, weil wir mitunter Priester hatten, die
nicht einmal alle Sonntage Beichtleute haben wollten, und so mußte ich übers Feld
gehen. So ging ich selbst im strengen Winter 1879 um Mitternacht, zum wenigsten
zweimal die Woche, nach Aschaffenburg, welches von meinem Dörfchen fünf Stunden
entfernt liegt. Einmal ging ich von dort heim. Ich war ganz allein und betrachtete
auf dem ganzen Weg die unendliche Güte Gottes, der uns mit solcher Gnade gleichsam
überschüttet. Ich fand jedoch schon wieder in mir einen Fehler vor, den ich trotz
der vielen Gnaden am selben Tag begangen hatte, und weinte bitterlich vor Reueschmerz.
Da war mir´s plötzlich, wie wenn mich jemand erfaßte. Ich fühlte nicht mehr, daß
ich gehe, und dazwischen kam ich öfters wieder zum Bewußtsein. So kam ich eine große
Strecke weiter, ohne zu wissen, wie und in viel kürzerer Zeit wie gewöhnlich. Dort
hatte ich zum ersten Mal jenen geheimnisvollen Verkehr. Dies war am Dreifaltigkeitssonntag
1880. Dabei hörte ich die Worte: „Siehe, alle die Fehler, die du begangen und beweinst,
will ich dir verzeihen, wenn du oft kommunizierst.“ Ich sagte dies meinem damaligen
Beichtvater, und er gab mir neun Tage nacheinander die heilige Kommunion, und dann
eine Zeitlang öfters. Aber das dauerte nicht lang. Alles Bitten war vergebens. Ich
konnte nicht mehr erlangen, als daß ich für eine hoffärtige, eigensinnige Person
erklärt wurde.
Einmal ging ich mit dem Ave-Läuten in die Kirche. Es war Fastnachtsdienstag, wo
ich den lieben Heiland in etwas entschädigen wollte, und bat um die heilige Kommunion,
erhielt aber wie immer eine abschlägige Antwort. Als die Leute fort waren, wandte
ich mich an den lieben Heiland und sagte: „Mein lieber Jesus, du siehst, daß es
an mir nicht gelegen ist. So komm, ich bitte dich, geistig zu mir.“ Dabei weinte
ich mein Herz recht aus und ging nach Haus. Unter der Haustür begegnete mir ein
junges Büblein und sagte: „Ich soll Sie fragen, ob Sie morgen früh nicht auf den
Neuhof kommen wollen, unser Großvater ist sehr krank und verlangt nach Ihnen, weil
er morgen früh versehen wird.“ Der Neuhof liegt ¾ Stunden von meinem Geburtsdorf,
gehört aber zu einer anderen Pfarrei. Und ich ging hin. Gegen 11 Uhr kam der Bauer,
der mit Pferd und Wagen den Geistlichen seiner Pfarrei geholt hatte, an, und der
alte Mann beichtete, und danach rief er die Angehörigen, und auch ich trat ein,
um den lieben Heiland zu begrüßen. In diesem Augenblick erfaßte mich eine solche
Sehnsucht, daß ich den Priester bat, er möge mir doch ein kleines Partikelchen reichen.
Der Priester fuhr ganz zusammen und nickte, verwundert mich anschauend, mit dem
Haupte. Tief bewegt ob der Güte Gottes speiste er den Mann ab, und wandte sich um,
und gab mir nicht ein Partikelchen, wie ich in meiner Sehnsucht verlangt, sondern
eine ganze volle Hostie. Der Priester betete noch mit dem Kranken die Sterbegebete
und gab ihm die letzte Ölung, dann wandte er sich zu mir und sagte: „Für Sie hat
heute der liebe Gott selbst gesorgt.“ Dann fuhr er fort: „Ich weiß nicht, wie dies
zuging, ich muß mich vergriffen haben. Als ich schon längere Zeit gefahren war,
fiel mir plötzlich ein nachzusehen, ob ich auch die heilige Hostie nicht etwa verlieren
könnte, und sah zu meinem Erstaunen, daß ich statt einer Hostie deren zwei hatte.
Jetzt sehe ich aber, daß der liebe Gott dies so gefügt hat.“ Dadurch aber, daß der
liebe Heiland mir so auffallende Beweise seiner Liebe zu uns gab, wurde mein Glaube
von Jahr zu Jahr lebendiger. Seit meine jüngere Schwester ins Kloster gegangen war,
deren einzige Freude darin bestand, die Kirche unseres Dorfes nicht nur äußerst
reinlich zu halten, sondern auch mit Blumen zu schmücken und zu zieren, hatte ich
diese Arbeit übernommen, und weil ich dem lieben Heiland die Freude der Vereinigung
nicht gewähren konnte, suchte ich ihm auf andere Weise Freude zu machen. Alles,
was ich nur erübrigen und an mir absparen konnte, verwandte ich zur Zierde unserer
Kirche. Altartücher, die Statue der Muttergottes von Lourdes, sowie eine Herz-Jesu-Statue,
der Kreuzweg wurden errichtet, wo ich auch mein Scherflein dazu gab. Jahre vergingen,
eine Prüfung äußerer und innerer Leiden reichte der andern die Hand. Bemerken muß
ich noch, daß ich all die Geldopfer, die ich dem lieben Heiland brachte, nicht ohne
die Zustimmung meiner geistlichen Vorgesetzten hergab. Ich gab dazu die Anregung,
wie mein Scherflein, und ging auch bei guten Leuten betteln dazu. Das Letzte, was
ich anregte, war einen neuen Tabernakel für unsere Kirche zu ermöglichen. Ich schrieb
nach M. (Mainz) an N. (6 - P. Alphons), nach N. an die Oberin einer meiner Schwestern
und nach F. an einige reiche Damen, bei denen eine Jugendfreundin von mir in Dienst
ist. Aber in M. und F. wurde ich abgewiesen, in F. sogar sehr kränkend. Die Oberin
meiner Schwester dagegen schickte an das Pfarramt zu E. (Elsenfeld) 41 Mark mit
der Bemerkung: „Für einen neuen Tabernakel in der Kirche zu Sch. (Schippach).“ Und
als ich meine Heimat verließ, um nach N. (Mainz) zu gehen, hatte ich bereits an
200 Mark geopfert und erbettelt. Aber das alles genügte dem lieben Heiland nicht.
Mit unseren armseligen Bettelpfennigen ist ihm nicht geholfen. Er verlangt, daß
wir ihm die ganze Kraft unseres Willens, ja unser ganzes Herz zum Opfer bringen,
denn bei all den äußeren Opfern, die wir ihm darbringen, kann unser Herz durch Hochmut
ihm doch sehr mißfallen. Darum sorgte er dafür, daß der Stolz nie recht in mir aufkommen
konnte. Meine Vorgesetzten, anstatt meinen Eifer zu unterstützen, taten, als ärgerte
sie mein Streben. Als die Herz-Jesu-Statue ankam, stellte sie unser damaliger Kaplan
auf die Stelle, wo früher der Pelikan gestanden, der jetzt zerfallen war. Alle Leute
freuten sich, wenn sie beim Eintritt in die Kirche ihren Blick auf den Tabernakel
richteten, denn der Anblick mußte in jedem den Gedanken erwecken: „Betrachte, o
Christ, hier mein Herz, als Symbol der Liebe und hier unten (denn die linke Hand
deutete auf den Tabernakel) bin ich wahrhaftig.“
Eines Sonntags kam ich nun einmal vom auswärtigen Gottesdienst heim. Wir hatten
eben keinen Kaplan, und Herr Pfarrer mußte jeden Sonntag erst in die Pfarrei, dann
in den Filialen Gottesdienst halten. Wer also beichten und kommunizieren wollte,
mußte in eine andere Pfarrei gehen. Mein Bruder trat mir glühend vor Zorn entgegen
und sagte: „Nicht eher mehr gibt es Frieden zwischen uns beiden, bis du den Kirchendienst
aufgegeben hast. Glaubst du, du hängst deine Kreuzer all an die Kirche und ich steh
am Sonntag in der Predigt und muß anhören, wie der Pfarrer dich vor den beiden Gemeinden
als närrische Person hinstellt. Ich habe gesehen, wie sich einer gegen mich wandte
und mir die Zunge zeigte.“ Meine Schwägerin war gerade so aufgebracht, denn sie
waren beide in der Kirche, als ich so öffentlich beschimpft wurde und die Schadenfreude
der Leute war unbeschreiblich groß. Der Herr Pfarrer sagte: „Diese Statue gehört
nicht auf den Tabernakel, die Person, die sie hereingeschafft hat, soll sie nur
augenblicklich weg tun. Meinetwegen kann sie dieselbe dort hinten ans Fenster stellen.
Aber da bleibt sie nicht stehen, die zieht nur die Augen ab von der Monstranz.“
Der Kaplan, der die Herz-Jesu-Statue auf diese Stelle gebracht, war fort, und so
gab ich dem Glöckner gute Worte, die Statue herunterzuschaffen, und lange Jahre
stand die schöne Statue meines lieben Jesus in einem alten, schmutzigen Fenster,
und der Anblick war für mich ein beständiger Schmerz. Aber ich ertrug meine Leiden
in stiller Ergebung. Wie oft, ja wie oft wurde ich entweder in der Sakristei oder
in der Kirche öffentlich beschimpft und abgewiesen, wenn ich bat um die heilige
Kommunion, und dies mit sehr kränkenden Worten. Meine Schwester Maria wurde durch
diesen beständigen Kampf und all die verächtlichen Reden, die wir zu hören bekamen,
bewogen, ins Kloster zu gehen, denn sie sagte: „Ich glaube nicht, daß ich das mein
Leben lang aushalten kann. Ich geh fort, sonst komme ich am Ende wieder auf einen
anderen Weg.“
Die erste Nacht, als ich mit dem Gedanken umging, meinen Verwandten zulieb den Kirchendienst
aufzugeben, wie sie es verlangten, träumte mir, daß ich die Kirche ziere. Als ich
an die liebe Muttergottes kam, um sie abzustauben, sah sie ungemein alt und staubig
aus, und sie blickte mich wie lebend sehr traurig an. Ich sagte zu ihr: „O liebe
Mutter, was soll ich denn machen? Soll ich dem Willen meiner Verwandten folgen und
den Kirchendienst aufgeben?“ Da ging von ihrem Körper ein Strom Wassers aus, der
in Bächlein durch die ganz Kirche floß, und wie das Wasser abgeflossen war, war
sie eine wunderschöne Frau, welche mich also anredete: „Siehst du, mein Kind, dieses
sind die Wasser der Trübsale, so mußt du hindurch gehen.“ Und dabei deutete sie
mit dem Finger zur Türe hinaus auf den Kirchhof, ich möge hinausgehen. Und ich sah
ein Totenhaus, ganz mit Totenschädeln angefüllt, und vor jedem einzelnen brannte
eine Kerze, und zugleich verstand ich innerlich, daß ich meine Trübsale für die
Armen Seelen tragen solle. In der zweiten Nacht darauf träumte mir abermals, ich
ziere die Kirche. Ich hatte vor mir die Statuen des heiligen Josef, der lieben Muttergottes,
des heiligen Joachim und der heiligen Anna. Ich weinte bitterlich und bat sie um
Hilfe, indem ich auf meinem Angesicht liegend, den heiligen Josef anflehte. Auf
einmal berührte mich derselbe, als ob er lebendig sei, und bedeutete mir, ich möge
aufstehen, und dann sagte er mir: „So hoch wie der Himmel soll deine Liebe sein,
und so tief bis zum Staub der Erde sollst du dich verdemütigen, und du sollst geradeaus
gehen und nicht rechts und nicht links schauen.“ Dabei deutete er mit der Hand hinauf
zum Himmel, dann zur Erde, dann nach rechts und links, und ich erkannte, daß ich
nach meinen Verwandten nichts fragen solle, sondern den Kirchendienst mit allem
Fleiß weiter verrichten müsse, was ich auch tat.
In der Fronleichnamsoktav ließ ich jedes Jahr ein Engelamt halten für meine Eltern
und zur Danksagung für eine große Gnade. Da bat ich nun Herrn Pfarrer auch um die
heilige Kommunion. Er sagte: „Ja.“ Und so kniete ich mich vorn an die Kommunionbank.
Die Kirche wurde ganz voll Leute, und alle konnten sehen, daß ich kommunizieren
wollte. Als der Gottesdienst aus war, ging Herr Pfarrer in den Beichtstuhl. Vor
Scham und auch innerer Sammlung sah ich mich gar nicht um. Sah also auch nicht,
daß die Kirche voll Kinder kniete, die beichten wollten. Weil ich glaubte, er sitze
für mich zur Beichte, ging ich gleich hin. Augenblicklich sprang der aufgebrachte
Herr auf und schlug mit solcher Gewalt auf den Beichtstuhl, daß alle Kinder erschrocken
zusammenfuhren und schrie: „Eine so abstrakte, eigensinnige Frömmigkeit habe ich
noch nie gesehen. Packen Sie sich von meinem Beichtstuhl weg und augenblicklich.“
Ich war starr vor Schrecken und mußte mich anklammern, denn ich war ganz ohnmächtig.
Dies unter den vielen Verdemütigungen nur einige, damit man erkennen kann, ob unter
solchen Umständen eine Seele sich etwas einbilden kann. So kam ein Kaplan fort,
ein anderer her, oder wir hatten oft jahrelang gar keinen; aber das Verlangen nach
der heiligen Kommunion blieb nach wie vor. Nicht oft, aber doch einige Male, hörte
ich in mir jene geheime Stimme: „Du mußt immer wieder die Vorgesetzten um die öftere
Kommunion bitten, und du wirst diese Gnade noch erlangen, aber erst dann, wenn du
einmal deinen Willen dem meinigen ganz unterworfen hast. Du sollst das Werkzeug
sein, dessen ich mich bedienen will, um auch anderen dies Glück zu verschaffen.“
Weil ich mir nie getraute zu sagen, daß eine innere Stimme mich dazu auffordere,
die heilige Kommunion öfters zu empfangen, und weil ich damals auch noch nichts
wußte von einem geheimen Verkehr der Seele mit Gott, so hatte ich von einem Priester
1/2 Jahr viel zu leiden. Er sagte, das Verlangen nach der öfteren Kommunion in mir
sei nichts anders als Hochmut und Eigensinn, ich sei eine aufgeblähte Person und
viel weniger als die allerletzte im Dorf. Anstatt fortzulaufen, wie es viele getan
hätten, blieb ich aber bei ihm, erforschte nur um so genauer alle Regungen meines
Innern und beichtete um so gewissenhafter. Drei Wochen lang nahm er mir die Kommunion
ganz. Und als er fortkam von uns, sagte er: „Ich habe dich die letzte Zeit hart
behandelt, denn ich hatte mich getäuscht an dir. Fahre fort in deinem Streben, aber
was du suchst, wirst du nie erlangen, solange die Umstände sich nicht ändern.“ Er
meinte damit, solang kein anderer Pfarrer herkäme. Sein H. Nachfolger gab mir die
heilige Kommunion alle Woche zweimal, bis er eines Tages kam und sagte: „Herr Pfarrer
hat mir gesagt, er werde nie zugeben, daß auf den Filialen die öftere Kommunion
eingeführt werde.“
Nun wußte ich doch wenigstens, daß nicht meine Sünden allein die Ursache sind. Und
von jener Zeit an belästigte ich in meiner Pfarrei keinen Priester mehr und befolgte
das Wort des Herrn Domkapitular Dr. Schork in Würzburg, jetzt Bischof von Bamberg,
der zu mir sagte: „Fahre fort, denn das Verlangen nach der heiligen Kommunion kann
nur von Gott herkommen. Wenn du sie in deiner Pfarrei nicht haben kannst, so geh
hin, wo du sie kriegst.“
Einmal, als ich weniger Trost bei der heiligen Kommunion empfand wie sonst, und
deswegen sehr ängstlich war, weil ich durch Spottreden, die wir oft zu hören bekamen
in unserer Pfarrei, eher entmutigt, als angeeifert wurde, hatte ich nachts einen
Traum: Ich sah die liebe Muttergottes auf mich zukommen und vor ihr her schwebten
zwei Hostien, die so viel Strahlen auswarfen wie die Sonne. Neben mir war eine große
Säule, die bis zum Himmel reichte. Die liebe Muttergottes sagte: „Siehe, das sind
deine zwei heiligen Kommunionen, die du am Sonntag und Dienstag empfangen hast.“
An diesen zwei Hostien sah ich keinen Unterschied, wiewohl ich bei der einen voll
Ängsten und bei der anderen voll Andacht war. Die heiligen Hostien schwebten an
die Säule, und alles war verschwunden. Ich erzählte dies meinem Beichtvater, welcher
mir sagte: „Dies ist ein Trost für dich, weil du so ängstlich bist wegen deiner
Kommunion, damit will dich der liebe Heiland belehren, daß, wenn du einmal die Erlaubnis
von deinem Beichtvater hast - denn die Säule bedeutet die heilige Kirche, und ich
als dein Beichtvater hatte dir die Erlaubnis gegeben -, du nicht mehr auf das Gefühl
schauen sollst; denn daß die eine Hostie glänzte wie die andere, soll dich belehren,
daß es nicht auf das andächtige Gefühl ankommt, sondern auf den guten Willen.“ In
demselben Jahre, als H. Pfarrer gesagt hatte, er ließe die Kommunion nicht einführen,
empfang ich einmal in meiner Dorfkirche die heilige Kommunion. Als der Priester
die heilige Hostie in die Hand nahm, um abzuspeisen, ging ein solcher Glanz von
derselben aus, daß der ganze Chor erfüllt war, und alle, die kommunizierten, wurden
von diesem Glanz erfüllt. Meine Seele fühlte ein solches Entzücken, daß meine Sinne
mir schwanden, und in diesem Zustand hörte ich die Worte: „Jetzt ist die Zeit bald
gekommen, wo dein Verlangen in Erfüllung gehen wird.“
Ich dachte, wahrscheinlich kommt ein Priester in unsere Pfarrei, der mir die Kommunion
jetzt gibt. Aber dies kam ganz anders. Damals waren alle meine Geschwister noch
unverheiratet, außer meiner älteren Schwester. Nach der Mutter Tod kamen zwei davon,
ein Bruder und eine Schwester, nach N. ins Spital der Barmherzigen Schwestern. Dort
war man besonders mit dem Bruder sehr zufrieden. Fünf oder sechs Jahre war er dort,
und ich war überglücklich, meine Geschwister in guten Händen zu wissen. Einmal kam
ich hin, da sagte mir eine jener Klosterfrauen, sie werde meinen Bruder heiraten.
Bei diesem offenen Bekenntnis überfiel mich eine Ohnmacht. Alle Bemühungen, die
Sache zu vereiteln, waren vergebens. Sie bat um Erlaubnis auszutreten und heiratete
meinen Bruder. Was mich aber dieser Schritt, den ich mit Anstrengung all meiner
Kräfte verhindern wollte, kostete, weiß nur Gott allein. Als sie einige Jahre verheiratet
waren, ging ich einmal auf einige Tage hin auf Besuch. Der schöne Gottesdienst,
wie er hier in Mainz gehalten wird, gefiel mir sehr, besonders aber sah ich, daß
hier wirklich, was ich nicht glauben konnte, täglich die heilige Kommunion ausgeteilt
wurde. Dies war für mich ein Fingerzeig Gottes. Ich wartete den Tod einer alten
Tante, die auf meine Pflege angewiesen war, noch ab, dann aber sagte ich meiner
Heimat Lebewohl und ging, wohin der Herr mich rief.
Nun begann für mich ein ganz anderes Leben als seither. Hier kannte ich keinen Menschen.
Welche Überwindung es mich kosten mochte, soll sich ein vernünftiger Mensch selbst
vorstellen. Ich mußte mich hier den Launen einer Schwägerin unterwerfen, die zwölf
Jahre Klosterfrau war und sinnliche Liebe für Gottesliebe umgetauscht hatte. Und
ich wollte das Gegenteil anstreben. Deswegen war ich zu ihr gekommen. Diese beiden
Gegensätze sollten beisammen leben. Nein, gerechter Gott, wenn ich betrogen sein
sollte, bin ich nicht schuld. Und sollten meine Vorgesetzten dieses sicher erklären,
dann habe ich doch den Trost, daß ich um Gottes willen, und um meine Seele zu retten,
schon viel gelitten und gekämpft habe. Es war große Armut und Not bei meinen Verwandten,
als ich hierherkam. Und sie hatten das elterliche Vermögen meines Bruders von 2.000
Mk. schon bald zugesetzt. Darum begann für mich wieder eine Zeit harten Kampfes.
In meiner Heimat hatte ich doch keine Nahrungssorgen, und meinen Verwandten daselbst
konnte ich viel nützen, und meine Schwägerin dort hatte mich sehr lieb gewonnen.
Und hier war man mir abgeneigt, weil ich mich dieser Heirat so sehr widersetzt hatte,
und auch wußte ich nicht, wie mich hier ernähren.
Einmal war nun meine Schwägerin wieder gar sehr gegen mich aufgebracht, weil sie
mich gern aus dem Haus gehabt hätte. Es war der Vorabend vor Ignatius, wo ich in
der Ignatius-Kirche läuten hörte, als ich die Kinder zur Ruh gebracht hatte. Ich
eilte hin. Und als ich eintrat in die Kirche, hörte ich in mir eine Stimme, die
sprach: „Hier will ich dich haben. Du sollst dich von jetzt an als Schutzkind des
heiligen Ignatius betrachten und nicht mehr als ein Schutzkind des heiligen Antonius.
Und gleich wie Ignatius sich um Christi willen den Zähnen wilder Tiere preisgab,
so sollst du dich um Christi willen zerfleischen lassen durch die Zähne der Menschen.“
Von da an wußte ich nun, daß Gott mich hier haben wolle, und zwar bei meinen Verwandten.
Aber wie mich ernähren? Da hörte ich wieder einmal die Stimme, die zu mir sprach:
„Meine Tochter, ich will, daß du bei deinen Verwandten bleibst. Ich werde für dich
sorgen, du sollst keinen Mangel leiden. Ich werde deine Verwandten segnen, daß du
zu leben hast, ja im Überfluß zu leben hast.“
Nun ließ ich alles über mich ergehen. Die Kirche und die heilige Kommunion waren
der Magnet, der mich beständig anzog. So verbrachte ich manchmal einen Tag von 5
Uhr morgens bis 8 Uhr abends vor dem Allerheiligsten, wenn meine Verwandten, die
meine Neigung kannten, mir hier und da mal ein Vergnügen machen wollten. So verging
ein Jahr. Immer deutlicher ließ der Herr mich seine Nähe fühlen, und der Umgang
mit ihm wurde immer zutraulicher. Auf geheimnisvolle Weise zeigte mir der Herr,
welch tiefe Erniedrigung es für ihn ist, daß er sich täglich auf unseren Altären
den Händen seiner Geschöpfe preisgibt. Und ich hörte die Worte: „Ich verlange mehr
Dank und Anerkennung von meinen Dienern.“ Ein anderes Mal zeigte er mir wieder seine
Freude, die ihm von denjenigen bereitet wird, die ihn würdig empfangen. Da sprach
der Herr wieder: „Siehe, jetzt habe ich dir dies Glück verschafft, sorge aber auch
dafür, daß es anderen ebenso zuteil werde. Gehe nach N. zu deinem Bischof und sage
ihm: „Es sei mein Wille, daß die öftere Kommunion überall eingeführt und gefördert
werde.“ Ich erschrak, als ich diese Stimme hörte, denn ich war froh, doch endlich
einmal die beständigen Widersprüche meiner Vorgesetzten los zu sein, und für mich
hatte ich ja alles erreicht, was ich mir wünschte, die tägliche heilige Kommunion,
und jetzt mußte ich fürchten, wieder mein Glück verlieren zu müssen.
So verging der Monat Mai, ohne meinem Beichtvater etwas zu sagen. Als ich der letzten
Maiandacht in der N.-Kirche beiwohnte, war das Allerheiligste am Muttergottesaltar
ausgesetzt. Ich kniete noch dabei und betete mit der ganzen Innigkeit meiner Seele.
Aber der Herr zeigte sich unwillig. Um jeden Preis wollte ich nun wissen, was die
Ursache seines Unwillens über mich sei, und erfuhr, die Ursache sei die, daß ich
mich so vor dem Leiden fürchte und alles so geheim hielte vor meinem Beichtvater.
Eine Angst überfiel mich, daß mir eine leichte Ohnmacht kam. Von dort ging ich in
die Seminarkirche, da hörte ich zum zweiten Male die Worte: „Du sollst nach N. gehen
und deinem Bischof sagen, was ich verlange.“
Jetzt sagte ich es aber meinem Beichtvater. Dieser lachte mich aus. Am Fest des
heiligen Antonius, 13. Juni, hörte ich nach der heiligen Kommunion wieder die Worte:
„Siehe, all deinen Undank will ich vergessen, wenn du ganz über dich hinweggehst
und tuest, was ich dir sage.“ Jetzt suchte ich wieder meinen Beichtvater auf, und
bat ihn unter Tränen, mir doch zu erlauben und die Wege zu sagen, um zu meinem Bischof
zu kommen. Dieser sagte: „Das sind Schwächen, du bist krank.“ Und schickte mich
zu einem Arzt. Der Arzt sagte: „Du darfst nicht so lang beten und mußt dem Beichtvater
folgen, und der Beichtvater verbot mir, ich dürfe von nun an nicht länger als in
zwei heiligen Messen in der Kirche bleiben.
Nun fühlte ich bald nach diesem Verbot wieder eines Tages, wie nach der heiligen
Kommunion mich diese unerklärliche Gewalt überfiel, daß es mir war, als sei ich
nicht mehr Herr über mich. Aber ich sagte: „O Herr Jesus, wenn du es bist, der alle
meine Sinne so fesselt, so muß ich dir heut sagen, daß ich mich mit dir nicht abgeben
darf, denn mein Beichtvater verbietet mir, länger zu bleiben, als in zwei heiligen
Messen, und wenn ich mich mit dir einlasse, dann vergesse ich den Gehorsam.“ Augenblicklich
verließ mich die Gewalt und zog sich zurück. Mein Beichtvater kam fort, und ich
zog in einer neuntägigen Andacht die liebe Muttergottes zu Rat, wen ich mir an seiner
Statt wählen sollte. Die liebe Muttergottes teilte mir mit, daß ich zu (6 - P. Alphons)
gehen solle. Als ich nun diesem von meinen übernatürlichen Dingen gesagt hatte,
wies er mich anfangs barsch ab. Später aber befahl er mir, alles aufzuschreiben
und ihm zu bringen. Dies tat ich auch mehrere Jahre hindurch, bis kurz vor dem Tod
meines Bruders. Die meiste Zeit, wo ich hier in Mainz zubrachte, hatte ich viel
zu leiden von meiner Schwägerin. Aber in der letzten Zeit, wo mein Bruder lebte
und starb, da war es fast nicht zum durchmachen. Da war es nun, wo mein Beichtvater
mir mehrmals sagte: „Hab nur keine Angst, ich sorge für dich, du brauchst aus N.
(Mainz) nicht mehr wegzugehen.“ Und als ich einmal gar bitterlich bei ihm weinte,
machte er wirklich Anstalten, mich irgendwo, wahrscheinlich im Stift N., unterzubringen.
Dies war vor Weihnachten. Er hatte mir befohlen, eine Zeitlang nach N. zu gehen
zu meinem Bruder, bis er die Sache geordnet. Da ging ich eines Tages mit meinen
zwei Nichten in die N.-Kirche zur heiligen Messe. Bei der Wandlung schaute mein
Geist statt der heiligen Hostie Christus, den Herrn, wie er als Mensch lebte, und
er sprach zu mir: „Meine Tochter, ich will nicht, daß du aus dieser Stadt weggehst.
Auch sollst du in kein anderes Haus gehen, als da, wo ich dich hingestellt habe.
Ich will dir meine Absicht zu wissen tun.
Siehe damals, als deine Schwägerin aus dem Kloster austrat, um deinen Bruder zu
heiraten, hat Satan meiner sehr gespottet, weil diese Klosterfrau seinen Versuchungen
nicht widerstand. Ich will ihm aber zeigen, was eine Jungfrau aushalten kann, die
mich liebt. Diese Klosterfrau hatte eine fromme Jugendzeit durchlebt, und Satan
brachte sie zum Fall. Dich habe ich nun an ihre Seite gestellt, denn ich will sie
retten. Auch habe ich dich deswegen in eine Wirtschaft geführt, um der Welt zu zeigen,
daß man mir überall dienen und mich lieben kann. Bleibe also, wo ich dich hingestellt
habe. Wenn auch dein Bruder bald stirbt, so gebe ich dir die Versicherung, daß deine
Schwägerin doch nicht mehr heiratet.“ Dies sagte ich meinem Beichtvater. Dieser
lachte mich aus, und sagte: „Nun gut, so warte es ab, bis man dich hinausschmeißt.“
Einmal fragte ich nun den lieben Heiland, warum er mir noch gar nichts von seinem
Leiden mitgeteilt, während er mir doch schon sonst so vieles zu wissen getan. Da
sagte er mir: „Weil du noch nicht darauf vorbereitet bist.“ Dies war so ungefähr
1 ½ Jahre vor dem Tod meines Bruders. Mein Beichtvater muß diese Worte ausgelegt
haben, als wolle der liebe Heiland ihm sagen, er soll mich darauf vorbereiten. Denn
lange Zeit erinnerte er mich in jeder Beichte an das Leiden Christi, aber dies half
wenig, weil die Gnade noch innerlich fehlte.
Die härtesten Prüfungen hatte ich durchzumachen hier in Mainz in den Jahren 1891
und 1892. Nicht nur von meinem damaligen Beichtvater, sondern auch von meiner Schwägerin.
Im Winter 1891 glaubte man, jeder Tag sei der Todestag meines Bruders. Seine Frau,
die das friedliche, sorgenfreie Leben geopfert hatte, um dieses kummervolle, sorgenschwere
Eheleben einzutauschen, stand nun am Sterbebett desjenigen, der noch die einzige
schwache Hoffnung ihres vermeintlichen Lebensglückes war, mit zwei Kindern von fünf
und sieben Jahren. Von allen Seiten drohte man ihr, sie um die Wirtschaft zu bringen,
womit sie doch ihr tägliches Brot für die Kleinen verdienen mußte. Anstatt nun meinen
armen Bruder trösten zu können in seinen unsäglichen Schmerzen, machte sie ihm Vorwürfe,
er sei selbst schuld an seinem frühen Tod, und er habe sie jetzt mit ihren Kindern
in solches Elend gestürzt.
Man kann sich leicht denken, wie bei solchen Zuständen sich beide gegen den mit
jedem Tag näher rückenden Tod wehrten. Um keinen Preis gab er sich dem Gedanken
hin, er werde sterben. In sich ganz zerfallen vor Kummer und Sorgen, Tag und Nacht
von den Schmerzen der Krankheit gequält, wußten beide ihre Ungeduld und ihre Abneigung
gegen mich gar nicht genug auszulassen. Es scheint, daß meine Schwägerin in jener
Zeit nach dem Tod ihres Mannes an weitere Versorgung denkend, mich deswegen aus
dem Haus schaffen wollte. Kurz, wenn ich morgens aus der Kirche kam, da ging das
Schimpfen und Schikanieren an und hörte auf, wenn die Augen nachts vor 11 Uhr zufielen.
Tränen waren mein Nachtgebet. Ich dachte immer, wenn mein Bruder in diesem Zustand
stirbt, ist er unrettbar verloren, und deshalb redete ich beiden manchmal zu, ob
ich denn nicht einen Priester rufen dürfe. Aber da kam meine Schwägerin ganz außer
sich, und mein Bruder, um seine Frau zu beruhigen, sagte dann: „Ich gehe schon einmal
in die Kirche und beichte.“
Nun wandte ich mich in meiner Angst an den heiligen Josef durch eine neuntägige
Andacht und empfahl ihm die Seele meines Bruders. Und Dank dem heiligen Josef, schon
am dritten Tag sagte meine Schwägerin, als ich von der Kirche heim kam: „Mein Mann
will beichten. Du kannst gleich hinüber ins Pfarrhaus gehen und Herrn Kaplan rufen.“
Vorher war ich schon einmal heimlich zu Herrn Pfarrer gegangen und hatte ihm gesagt,
daß mein Bruder bald sterbe nach Aussage des Arztes, denn er hatte Lungensucht,
und ich bat ihn, einmal meinen Bruder zu besuchen und ihm zuzureden, was Herr Pfarrer
auch tat. Er wurde aber von beiden trocken abgewiesen. Darum sollte ich jetzt Herrn
Kaplan rufen. Glücklich über solche Sinnesänderung, ging ich Herrn Kaplan rufen,
und so beichtete er die elf Wochen, die er noch lebte, noch viermal und starb sehr
erbaulich. Er selbst sprach für sich die Sterbegebete. In jener Zeit war es, wo
ich einmal in der Kapuzinerkirche den Kreuzweg betete. Bei der 5. Station konnte
ich nicht mehr weiter, weil ich kein Gefühl mehr hatte. Mein Geist schien ganz versenkt
ins Leiden Christi, denn die Welt war meinen Sinnen wie entschwunden. Ich sah den
lieben Heiland auf mich zukommen mit einem schweren Kreuz auf dem Rücken. Neben
mir blieb er stehen, und ich schaute in sein heiliges Angesicht, das mit dicken
Schweißtropfen bedeckt zu sein schien. Er blickte mich liebevoll an, und sagte:
„Meine Tochter, willst du mir folgen?“ Ich zögerte und dachte nach, was das bedeute.
Er aber fuhr fort: „Wenn du mir dienst, wie bisher, so kommst du auch in den Himmel.
Willst du mir aber Freude machen, so folge mir auf dem Weg, den ich dich jetzt führen
will. Ich verlange aber dazu deine Einwilligung.“ Ich wußte gar nicht, was ich nur
machen sollte. Ich fürchtete, ich könnte getäuscht sein und doch wußte meine Seele,
daß dies ihr Herr und Gott sein müsse, der ihr Leiden anbieten wolle, die ihr seither
nie begegnet waren. So lag ich auf der Erde ohne Gefühl, bis die Kinder meines Bruders
mich aufsuchten, von 2 - 4 Uhr nachmittags. Bald darauf wiederholte sich dieselbe
Erscheinung und jetzt sagte ich es meinem Beichtvater, welcher mir zur Antwort gab:
„Ja, den Willen Gottes müssen wir tun.“ Daran erkannte ich, daß er sich doch hütete,
dem Willen Gottes entgegen zu arbeiten, sonst hätte er sagen müssen: „Geh darüber
hinweg, es ist Täuschung.“ Die darauf folgende Woche kam mir´s zum dritten Mal so
vor. Und nun sagte ich ganz entschieden: „Herr, führe mich wie du willst, und schicke,
was du willst, ich will dir folgen. Nur gib meinem unbeständigen Willen auch die
Kraft, alles zu ertragen, was noch Schweres über mich ergehen soll.“
Dies war nach Neujahr 1892, und nun kam nichts Besonderes vor, so daß ich hätte
denken können, dies könne ein anderes Kreuz sein, als dasjenige, welches ich bis
jetzt getragen hatte. Daß mein Bruder starb und mir damit die Hoffnung auf eine
weitere Existenz hier in N. (Mainz) abgeschnitten wurde, war mir kein Kreuz, weil
ich sah, wie geduldig und gottergeben mein Bruder jetzt litt und starb. Und für
mich hatte ich ja meine ganze Hoffnung auf Gottes Wort, das ich vor Weihnachten
im Dom gehört hatte, gegründet. So vergingen bereits zwei Monate.
Am Fastnachtssonntag nun hatte ich wieder wie gewöhnlich in der N.-Kirche kommuniziert.
Der Herr hatte aber an diesem Tag meine Seele so in Besitz genommen, daß ich es
gar nicht merkte, wie weit die Zeit schon vorgerückt sei. Plötzlich überfiel mich
eine solche Gewalt, daß ich gar nicht mehr Herr war über mich selbst. Mein ganzer
Körper wurde mit solcher Gewalt geschüttelt, daß meine Glieder krachten, und ich
war nicht imstande, mich auch nur im geringsten dagegen zu wehren. Dies mußte doch
von Leuten gesehen worden und im Kloster bei den Patres gemeldet worden sein, denn
es kamen zwei Patres und wollten mir behilflich sein, weil sie es wohl für Schwäche
hielten. Sie ließen mir Kaffee und ein Gläschen Wein in die Kirche bringen, aber
ich konnte vor lauter Schütteln nicht abnehmen. Und dabei sprach eine Stimme in
mir: „So wie in diesen Tagen die Kinder der Welt, die doch Glieder meines Leibe
sind, diese Glieder nur gebrauchen, um Satan damit zu dienen, so sollen deine Glieder
zerrissen werden. Du sollst mich entschädigen, indem du mit mir leidest.“ Daraus
erkannte ich aber, daß dies nichts Natürliches sein könne. Als das furchtbare Schütteln
immer wiederkehrte, sobald sich diese Stimme hören ließ, wurde mir´s unheimlich,
und deshalb fragte ich die beiden Patres nach meinem Beichtvater. Denn diese Herren
wußten ja gar nichts von mir und kannten mich nicht. Aber mein Beichtvater ließ
sich nicht sehen. Damit will ich nur den Schmerz ausdrücken, daß er sich in den
drei Jahren, seitdem ich dieses Leiden an mir habe, sich nicht sehen ließ, und nach
drei Jahren starb er. Dieses Leiden wiederholte sich alle Freitage der ganzen Fastenzeit
und ebenso im Advent. Anmerkung: Seit Fronleichnamsfest 1895 tritt das oben gemeldete
Leiden mit darauffolgender Ekstase auf an allen Vigilie der großen Feste unseres
Herrn und der lieben Muttergottes (an diesen oft Schlag Mitternacht), auf die Festtage
der minder großen Feste im Advent und in der Fastenzeit meist donnerstags, freitags
und samstags, zur Zeit der Priesterexerzitien jeden Donnerstag und Freitag, alle
Freitage des ganzen Jahres, mit Ausnahme des Monats November, auf Ewig-Gebet in
der Pfarrkirche, am letzten Tag des Großen Gebetes in der Stadt, auf Portiuncula,
Vigilie vom Fest der heiligen Familie, Peter und Paul, Magdalena, Clara, des heiligen
Erzengels Michael, Franz von Assisi, Johannes des Evangelisten, Johannes des Täufers,
St. Barbara.
Das Leiden ist charakterisiert durch einen dreimaligen auffallenden Sturm, wo der
ganze Körper geschüttelt wird wie ein Baum im Wind und der Kopf von einer Seite
zur andern heftig und gewaltsam hin- und hergeschleudert wird, so daß, wer es nur
einmal gesehen, leicht ermessen kann, daß nach einer so gewaltigen Erschütterung
des Gehirns der Mensch kaum fähig ist zu einem vernünftigen Gedanken, geschweige
denn zu einer wohlgesetzten Rede, selbst wenn er ein Redner wäre. Der Erfahrung
nach weiß man, daß, wenn der erste Sturm vorüber ist, die beiden anderen ganz sicher
darauf folgen und unmittelbar nach dem dritten die Ekstase beginnt. Nicht eine Minute
nach dem dritten Sturm hat der eben noch so sehr bewegte und gequälte Körper seinen
normalen Zustand, die vollständige Ruhe und die volle Kraft der Stimme, und fängt
sie sofort an, ein Loblied zu singen.
Da der dreimalige Sturm mit Pausen von 20 Minuten, oft noch länger oder auch kürzer
auftritt, so hat man Zeit, jemand zu rufen, um die Worte des Herrn aufschreiben
zu können. Das erste Mal, wo dieses Leiden mich in der N.-Kirche überfiel, ließ
mich eine mir unbekannte, mitleidige Dame nach Hause fahren. Gott allein ist es
bekannt, was ich in den drei letzten Jahren vor dem Tode von (6 - P. Alphons, +
1895) unter seiner Leitung gelitten habe an meiner Seele wegen diesem übernatürlichen
Leiden. Von jener Stunde an verbot er mir die K.-Kirche (Kapuziner-Kirche). Ich
durfte sie nur betreten, wenn ich beichten ging. Anstatt ein Wort der Ermunterung,
konnte ich hören: „Du bist närrisch! Für was legst du dich denn langen Weges in
der Kirche hin? Es ist der Teufel in dir. Pack dich aus meiner Kirche! Geh in deine
Pfarrkirche, denn von allen Seiten werde ich aufgefordert, dich aus der K.-Kirche
zu jagen.“ Das einzige, was mich noch aufrecht hielt, war, daß er mir den Auftrag
gab, täglich zu kommunizieren.
Nun ging ich in meine Pfarrkirche. Dort ging ich aber noch keine vierzehn Tage hin,
und die Pfarrkirche wurde mir von Herrn Pfarrer auch verboten. In der nächsten Bericht
fragte ich wieder, wo ich denn jetzt kommunizieren solle, und er befahl mir, in
die S.-Kirche zu gehen. Da ich noch nicht die Erfahrung hatte wie jetzt, wo ich
doch weiß, wie sich das Leiden entwickelt, und ich deshalb zu Hause bleibe, sobald
sich die Vorboten einstellen, so war ich ganz untröstlich. Ich dachte nämlich, das
Leiden werde sich auch in der S.-Kirche einstellen, und ich dort auch fortgeschickt
werde. Deshalb weinte ich eine ganze Nacht und beklagte mich sehr beim lieben Heiland,
und sagte ihm: „O lieber Jesus, wenn ich nun dort auch noch fortgeschickt werde
und ich dich auch noch lassen muß, so hab ich ja gar keinen Halt mehr.“ Nach Mitternacht
hörte ich die Stimme, die mir sagte: „Steht auf und geh in die K.-Kirche, ich will
für dich sorgen, daß dir nichts mehr vorkommt.“ Da dachte ich bei mir, so will ich
denn der Stimme folgen, solang bis ich zu meinem Beichtvater komme und ihn fragen
kann, was ich machen soll. Am folgenden Samstag sagte ich es meinem Beichtvater,
und er sagte dann ganz bewegt: „Ja, ja Kind, es ist recht so, komm nur wieder in
die Kirche.“ Dies alles ist jetzt leicht niederzuschreiben, denn ich brauche nicht
erst Worte zu studieren, wie ich gestern im christlichen Unterrichte gehört habe,
daß es Leute gibt, die ganze Bücher zusammenlügen und erdichten könnten. Auch ist
es leicht zu lesen. Wer es aber liest, den bitte ich um sein Gebet, um Kraft für
mich Arme, denn meine inneren Leiden hören noch nicht auf. Ich bitte aber auch alle
Leser dieser Zeilen, wenn ähnliche Leiden über sie kommen sollten, abzusehen von
allen Menschen und sich ganz allein an Gott anzuklammern, der das arme Herz doch
zur rechten Zeit zu trösten weiß.
So verging das erste Jahr, ich durfte nichts mehr sagen, noch schreiben, und mußte
diesen Geist als unecht verwerfen. Und um meinen Geist ganz seiner Leitung zu unterstellen,
nahm mein Beichtvater am Dienstag in der Karwoche 1892 mir die Gelübde der Armut,
der Keuschheit und des Gehorsams ab. Als ich an jenem Tage heimkam von der Kirche,
kniete ich vor einem Muttergottesbild nieder und wollte meine Danksagung verrichten.
Meine Seele ward dabei in ihren Seelenbräutigam so verzückt, daß meine Verwandten
mich erst nach 12 Uhr mittags fanden. Mein Kopf war auf die Spitze eines Möbels
gestützt, und in meinem Gesicht waren Spuren zu sehen, daß ich hart mußte gelegen
sein. Von jetzt an war ich still und sagte nichts mehr von meinen Zuständen. Aber
wenn ich kommunizierte, und mußte die liebevolle Unterhaltung mit meinem lieben,
guten Jesus, der das einzige Centrum meiner Seele war, entbehren und mündliche Gebete
verrichten, war mein Schmerz unbeschreiblich groß.
Einmal kniete ich nun nach der heiligen Kommunion und war voller Sehnsucht, mit
dem Innigstgeliebten meines Herzens wie früher in Wirklichkeit zu verkehren. Ich
hätte so gerne seinen Herzenskummer geteilt, den er mir schon sooft geklagt hatte
über den Undank so vieler Menschen, die seine Liebe verachten, und so kniete ich
heftig und bitterlich weinend in der K.-Kirche. So gern hätte ich seine Liebe mit
Gegenliebe erwidert. Dies konnte ich jetzt nicht mehr, weil ich ja nicht mehr glauben
durfte, daß er es ist, der sich würdigt, bei einer armen Sünderin seine Freude und
seinen Trost zu suchen. Auf einmal sah ich aus dem Tabernakel eine Gestalt kommen.
Am ersten Stuhl blieb er stehen und schaute nach mir herüber, denn ich kniete ganz
an der Wand. Ich erkannte wohl den Bräutigam meiner einzigen Liebe und bat und flehte:
„O Herr, komm doch näher, komm an mein Herz. Sieh, ich kann ja ohne dich nicht länger
mehr leben.“ Er aber blieb stehen und blickte mich traurig an. Nun erst sah ich,
daß ihm Hände und Füße gebunden waren. Ja, sein ganzer Leib schien in einem Fischernetz
zu stecken. Die Erscheinung verschwand, ohne mir das Geheimnis zu erschließen, was
dies eigentlich bedeute.
So verfloß der Sommer, und ich betete wie die Kinder aus einem Buch oder andere
mündliche Gebete. Aber meine Seele war unglücklich über alle Maßen. Und wenn ich
meinem Beichtvater davon sagte, gab er mir zur Antwort: „Kind, du bist ganz verwöhnt.
Du meinst, immer Süßigkeiten haben zu müssen. Folg mir nur schön, und du kommst
gewiß in den Himmel.“ Es kam die große Gebetswoche im Juli. Als ich in meiner Pfarrkirche
dem Großen Gebet beiwohnte, sah ich diese Erscheinung wieder. Aber er war näher
bei mir. Heute aber bat ich inständig, der Herr möge mir doch erschließen, was dies
bedeute. „Ach“, sagte ich, „mein lieber Jesus, bin ich denn schuld, daß du so gebunden
bist? Nicht wahr, meine Sünden sind die Ursache? Meine Leidenschaften halten dich
gebunden!“ Er aber sprach: „Dein Beichtvater hat dies getan. Ja, es ist traurig,
auch da noch seinen Dienern nachstehen zu müssen, wenn ich eine Seele schon jahrelang
durch meine Einsprechungen und Erleuchtungen an mich gezogen habe.“
Danach sagte ich einmal zu meinem Beichtvater: „Ich fühle mich unglücklich, weil
ich mich beständig ängstige, ob ich auch die Gelübde halten könne. Denn ich fühlte
mich beständig innerlich angetrieben, meinen Beichtvater zu bitten, daß ich ihm
mitteilen dürfe, was ich in der Großen Gebetswoche erfahren hatte. Da ward er sehr
ungehalten gegen mich, und sagte: „Gut, die Gelübde sind von heute an wieder aufgehoben.“
Nun war ich aber noch unruhiger: „Glaubst du denn“, schrie er mich an, du hast einen
dummen Kaplan vor dir, der dir alles glaubt. Da müßt ich ja der größte Esel sein,
der auf der Welt herumliefe, wenn ich die Dinge glauben wollte, die du mir erzählt.
Nein, ich glaube gar nichts mehr. Kein Wort will ich mehr hören, und wenn dir dies
nicht recht ist, so geh zu einem anderen Beichtvater.“ Sechs Jahre vorher hatte
mir derselbe Beichtvater befohlen, unter Gehorsam, nichts zu verschweigen von meinen
übernatürlichen Gnaden, ihm stets alles aufrichtig zu sagen, und weil ich im Beichtstuhl
nicht alles sagen konnte, befahl er mir, es aufzuschreiben und ihm zu bringen. Und
wenn es noch so schlecht geschrieben wäre, weil ich meistens bei der Nacht und im
kalten Zimmer schreiben mußte, und mich deswegen entschuldigte, sagte er jedesmal
beruhigend: „Kümmere dich nicht, ich kann es lesen.“
Aber welche Verdemütigungen er damit zu verbinden wußte, ist gar nicht zu beschreiben.
Nur einmal ließ er mich ins Sprachzimmer kommen, und da sagte er: „Du brauchst gar
nicht ängstlich zu sein, es ist der liebe Heiland. Der Herr hat das Schwache erwählt,
um das Starke zu beschämen.“ Nachdem aber dieses auffallende Leiden eingetreten
war, stellte sich derselbe Beichtvater ohne zu prüfen und ohne Bedenken um, und
sagte, er glaube jetzt nichts mehr. Drei Jahre hatte ich dies Leiden schon, als
der Beichtvater ganz plötzlich starb. Er hatte sich nichts darum gekümmert, als
nur um mich damit zu demütigen. Im ersten Jahr sagte er: „Es ist der Teufel.“ Aber
er tat keinen Schritt, um zu untersuchen, ob es so sei. Im zweiten Jahr sagte er:
„Es ist selbstgemachtes Zeug und zuletzt, Krankheit und Hysterie.“ Es ist nicht
zu beschreiben, welch innere Beängstigungen ich schon deswegen ausgestanden. War
ich krank, was infolge des vielen Kummers öfters vorkam, ließ er keinen Priester
an mein Bett, und durften meine Verwandten auf mein Bitten noch sooft hinschicken,
weil ich gerne gebeichtet hätte. Besonders war dies einmal der Fall in der Adventszeit,
wo ich mehrere Male ins Kloster schicken ließ, er aber antwortete: „Es käme keiner.“
Und doch kann ich dem lieben Gott nicht genug danken, daß er mir gerade diesen klugen,
in der Seelenleitung so umsichtigen Beichtvater gegeben hat. Niemals ließ Gott zu,
daß ich ihm gegrollt hätte, wenn auch manchmal ein kleiner Unwille mich überkam,
so klagte ich mich sogleich darüber an.
Wenn mir ja der Gedanke kam, meinen Beichtvater zu verlassen, so wies mich der Herr
immer gleich zurecht. Einmal kam mir auch der Gedanke, ich würde nichts verlieren,
wenn ich mal bei einem anderen probierte. Denn so gut, wie du es jetzt hast, dachte
ich, kannst du es überall haben. Doch betete ich inständig um Erleuchtung, daß,
wenn es Gottes Wille nicht wäre, er mich zurechtweise. So kam der Samstag, wo mein
Beichtvater am Muttergottesaltar die heilige Messe las, welcher ich beiwohnte. Bei
der heiligen Wandlung ging ein solcher Glanz von der heiligen Hostie aus, daß mein
Beichtvater ganz von diesem Glanz umgeben war, er stand ganz in dem Glanz. Das war
für mich das Zeichen, daß er nicht unrecht an mir gehandelt, sondern, daß seine
Seele ganz in Ordnung sei und ich staunte. Und bei der heiligen Kommunion, als er
kommunizierte, sah ich den lieben Heiland statt der heiligen Hostie, und ein Glanz
ging von ihm aus, und ein Strahl davon traf auch mich, der mich so anzog, daß er
mich gleichsam durch den Priester, durch N., in sich zog und wir alle drei in ihm
verschmolzen. Das war dann für mich das Zeichen, daß ich durch ihn muß geleitet
sein.
Ein anderes Mal, nachdem ich viel von ihm ausgehalten, war ich wieder in der Kirche,
als er seine heilige Messe las. Bei der heiligen Opferung opferte ich mich mit dem
Priester auf, und wie ich dies so tun wollte, da erhob sich zwischen dem Altar und
mir eine dunkle Wolke wie ungefähr, wenn der Nebel vor die Sonne tritt und sie verfinstert.
Ich erschrak, weil ich meinte, ich sei im Stande der Ungnade. Diese Erscheinung
dauerte bis nach der Kommunion ... Ich bat lange darum, der Herr möge mir doch erklären,
was das bedeute. Und der Herr sagte, er wolle mir nur sein Mißfallen daran zeigen,
daß mein Beichtvater mich so ganz ohne Schutz und Hilfe lasse und er deshalb auch
nicht teilnehme an den Gnaden, die er mir gebe. Ein anderes Mal war mir geraten
worden, ihn zu verlassen, weil man sagte, es wäre besser, wenn ich in den übernatürlichen
Dingen eine Leitung hätte. Mein Inneres aber sagte mir: „Bleibe!“ Während der heiligen
Messe auf Portiuncula sah ich eine ganze Schar verschiedenen Geschlechtes. Sie zogen
in Prozession an mir vorbei und jedes hatte ein prächtiges Blumenbukett in der Hand
von den verschiedensten Blumen. In der Mitte lag ein Zettel darauf, auf welchem
der Name meines Beichtvaters stand. „Durch N.N.“ und es wurde mir bedeutet, daß
sie durch ihn die ewige Seligkeit erlangt. Und daraufhin entschloß ich mich wieder
zu bleiben. Der liebe Gott ließ es nicht zu, daß mein Beichtvater starb, bevor er
seine Meinung ausgesprochen hatte. Einige Monate vor seinem Tod ließ er mich ins
Sprachzimmer kommen und sagte: „Nun habe ich dich lang genug geprüft, jetzt ist´s
genug. Wenn du etwas hast, so sag mir´s. Aber laufe nicht mehr sonst herum. Und
mit dem Übernatürlichen, das kann ich halt auch nicht wissen.“ Von dort an war er
nicht mehr so abstoßend, und als ich im Advent wieder krank war, kam er selbst und
hörte mich Beichte, wie mir eine innere Stimme einige Zeit vorher schon gesagt hatte.
Nun frage ich, kann sich der Mensch bei all seinem guten Willen in seinem heiligen
Glauben so täuschen? Die heilige Kirche lehrt, daß niemand sagen kann „Herr Jesus“,
außer im heiligen Geist. Und der heilige Paulus sagt: „Prüfet die Geister, was gut
ist, behaltet.“ Was mich in allen Leiden aufrecht hielt, war, daß ich sah, wie mich
der liebe Gott gleichsam an der Hand führte, all die Worte und Verheißungen in Erfüllung
gehen ließ, die er mir gegeben, und die ich mit Augen sehen und mit Händen greifen
konnte. Ich habe schon oben gesagt, daß er mich zu Haus schon jahrelang aufforderte,
um die öftere Kommunion zu bitten, und in den letzten Jahren dazusetzte: Daß ich
diese Gnade noch erlangen werde, aber nur erst dann, wenn ich einmal meinen Willen
seinem göttlichen Willen ganz unterworfen haben werde. Damals war noch keines meiner
Geschwister in einer Stadt verheiratet. Sehen wir nun, wie er seinen Willen durchführte.
Er ließ meine geistlichen Vorgesetzten in meiner Heimat, die seinen Willen nicht
anerkannten, zwar in Ruhe, aber sie sollten doch fühlen, daß er der Herr über all
seine Geschöpfe ist. Es gibt in der Welt keinen Zufall. Darum ließ er es zu, daß
es gerade mein Bruder sein mußte, der diese Klosterfrau heiratete und mit dieser
noch eine andere austrat. Weil er damit zeigen will, daß man überall lau und gleichgültig
ihm dienen kann, wenn wir uns nicht bestreben, unsere bösen Neigungen zu bekämpfen.
Meine Vorgesetzten, die die Berufenen sein sollten, seinem göttlichen Willen entgegen
zu kommen, ließ er ruhig stehen und bahnte mir einen anderen Weg, um mir dann die
versprochene Gnade zuwenden zu können. Ferner, wenn das Leiden nicht ein Fingerzeig
sein soll, daß die Stimme, die in mir spricht, seine Stimme sei, warum ließ er dann
voriges Jahr meine Schwägerin in Augsburg gerade vor Fastnacht sterben, wo ich zur
Beerdigung hinreiste, und dann die ganze heilige Fastenzeit ein wahres Schauspiel
aufführen mußte, indem ich wegen Krankheit verhindert war zurückzureisen und alle
Donnerstage und Freitage dies Leiden vor den Augen so vieler Menschen eintrat.
Auf dem Land ist es nicht wie in der Stadt. Hier erfährt es kein Mensch. Nicht einmal
die Hausleute wissen es. Ist es also zu leugnen, daß er sein Wort bekräftigen wollte,
das er im ersten Jahr hier in N. zu mir sprach: „Geh nach N. zu deinem Bischof und
sag ihm, daß ich die Einführung der öfteren Kommunion verlange, auch auf dem Land.“
Eben durch diesen Zwischenfall kam es in die Diözese N. Als mir gesagt wurde, daß
ich mich von jetzt an als Schutzkind des heiligen Ignatius betrachten solle, war
es sehr fraglich, ob mein Bruder, der damals die Bierwirtschaft in der Straße N.
hatte, immer in der Pfarrei bleiben werde. Denn er war nur Pächter und konnte als
solcher alle sechs Monate in ein anderes Stadtviertel versetzt werden. Darum kann
nur Gott es sein. Er allein weiß unsere Wege zu leiten. Und es hat den Anschein,
als ob ich wirklich in dieser Pfarrei bleiben werde, denn das Lokal kann jetzt nicht
mehr unserem Pachtherrn gekündigt werden, weil er selbst das Haus angekauft hat,
und jetzt sind wir schon elf Jahre da. Ferner sagte mir jene Stimme: „Bleibe, wo
ich dich hingestellt habe. Ich will deine Verwandten segnen, daß du im Überfluß
sollst zu leben haben.“
Wollte man dann behaupten, so was könne man sich einbilden. Ja, einbilden können
sich´s die Menschen, aber ausführen kann´s nur der liebe Gott. Und er hat es ausgeführt.
Denn während meine Schwägerin im ersten Jahr vor der Verheißung 700 Mark zusetzen
mußte, konnte sie im folgenden Jahr schon 500 Mark auf die Sparkasse tragen und
jährlich mehr.
Die Stimme, die in mir spricht, sagte ferner: „Deine Schwägerin heiratet nie mehr.
Bleibe bei ihr, denn ich will sie retten und der Welt zeigen, was eine Seele erträgt,
die mich liebt.“ Wie hat sich dieses bewährt! Mein Beichtvater sagte einige Male
in der Zeit, wo sie noch so sehr gegen mich war, „sie heiratet wieder, du wirst
sehen.“ Mehr als zehn bis fünfzehn Freier waren schon da, natürlich jetzt ist Ruh,
weil jedermann ihren entschiedenen Charakter kennt. Ja, einbilden könne wir´s uns,
aber ausführen kann´s nur der liebe Gott. Als mein Bruder an der Influenza erkrankte,
sah ich in der Ignatius-Kirche bei der heiligen Wandlung, wie ein Engel etwas in
den Kelch hineinlegte. Ich fragte den lieben Heiland, was dies zu bedeuten habe
und erfuhr, es sei das Opfer des Lebens meines Bruders, und es ging in Erfüllung
zwei Jahre später.
Als mein Beichtvater bei meiner Schwägerin gesagt hatte, er ließe sich nie und nie
mehr überführen, es sei nur Einbildung von mir oder der böse Feind, da fing meine
Schwägerin an, mit aller Entschiedenheit sich die Unannehmlichkeit vom Hals zu schaffen,
daß ich so manche Stunde mit diesem Leiden versäume, besonders in der Advents- und
Fastenzeit, und tobte, wenn sie etwas an mir merkte, daß ich mir nicht mehr zu helfen
wußte. Sie sagte, sie könne so etwas in ihrer Wirtschaft nicht brauchen, und für
was sie solches dumme Zeug zu dulden brauche, wenn die Geistlichen nichts auf solche
Dinge gäben, da brauche sie gewiß in ihrem Haus so was nicht zu leiden.
Wie oft mußte ich die Worte hören: „Pack dich aus dem Haus, denn du verdienst nicht
das Wasser, das du trinkst, und doch war der Segen Gottes so sichtbar in der Familie,
daß es, während es früher immer rückwärts, nun beständig vorwärts ging.
Am 1. Freitag im Advent wurde mir gesagt, daß kein Priester an mein Bett gehen werde,
und ich müsse fünf Wochen zubringen ohne die heilige Kommunion. Und so war´s auch,
denn ich war krank und konnte nicht in die Kirche. Alles Bitten war vergebens, kein
Priester ging an mein Bett. Am letzten Freitag im Advent sagte die Stimme: „Bis
übers Jahr, bis es Weihnachten wird, werde ich deine Schwägerin und deinen Beichtvater
überführen.“ In diesem Augenblick sah ich meine jüngste Nichte, damals sieben Jahre
alt, ein liebliches, blühendes Mädchen, auf der Totenbahre liegen, ganz weiß gekleidet
und mit Blumen bedeckt. Meine andere Nichte sah ich zum Altar treten mit einem sehr
anständigen jungen Mann, um sich trauen zu lassen. Als ich mich nach meiner Schwägerin
umschaute, sah ich sie nicht, und hörte die Worte: „Bei dieser Nichte wirst du bleiben.“
Wenn ich im Laufe jenes Jahres an die Erfüllung dieser Verheißung dachte, mußte
ich weinen, denn dieses Mädchen war mein und seiner Mutter Augapfel. Und wirklich:
Zehn Tage vor Weihnachten kam sie aus der Schule und klagte über Kopfweh. Der Arzt
erklärte es für Influenza, und es war Hirnentzündung dabei, und drei Tage vor dem
Weihnachtsfest wurde sie begraben. Nun war meine arme Schwägerin überführt, aber
mit welchem Verlust. Sie stand das Jahr vorher an meinem Bett, als ich es ihr sagte,
daß ich ihren Liebling so gesehen hätte. Als ich es aber meinem Beichtvater mitteilte,
daß jetzt das eingetroffen, was ich letztes Jahr ihm gesagt, antwortete er mir:
„Wenn man dem Esel ein Buch vorlegt, trifft er auch manchmal einen Buchstaben a
oder i.“ Deshalb glaube ich ganz fest, daß der liebe Gott meinen Beichtvater zu
sich nahm, weil er es nie zugegeben hätte, daß jemand ein Wort erfahre.
Vor sieben Jahren wurde ich einmal nach Augsburg gerufen, weil man dort in der Familie
meines Bruders ein neugeborenes Kind erwartete. Er hat Bäckerei und mehrere Dienstboten,
da sollte ich den Laden versehen bis die Frau wieder gesund sei. Sie hätten es gar
gerne gehabt, daß ich nicht so früh in die Kirche gegangen wäre, weil gerade um
diese Zeit im Laden am meisten zu tun ist. Ich wollte aber doch kommunizieren, und
da mußte ich früh in die N.-Kirche, denn sonst wurde keine Kommunion ausgeteilt.
Ich war schon mehrere Wochen da, und das Kind war noch nicht zur Welt, und ich mußte
oft hören, das viele Kommunizieren sei nicht gut, weil man wußte, daß ich deswegen
so früh in die Kirche ging.
Einmal kam ich heim, da fielen mich beide an. Mein Bruder sagte: „Eben haben wir
von dir gesprochen, du bist mir wirklich ein Rätsel. Du liefst von zu Haus weg und
kümmerst dich gar nicht um dein späteres Schicksal. Du sorgst nicht für dein Fortkommen,
ich glaub, du bist nicht recht gescheit.“ Dabei blickten sie beide mir prüfend in
die Augen, um die Narrheit herauszulesen. Dies schmerzte mich sehr, denn ich wußte,
daß ich um mein Glück kommen sollte, um die heilige Kommunion. Weil ich nun dachte,
sie könnten am End recht haben, so ging ich an demselben Tag noch fünf Stunden von
dort in meine Heimat, um das Verlangen nach der heiligen Kommunion zu unterdrücken,
weil ich meinte, ich könnte mich am End daran gewöhnen, denn in meiner Heimat war
kein Priester. Als ich aber fünf Tage dort war, zog mich eine solche Gewalt wieder
nach A., daß ich in der Nacht aufbrach und zurückging. Am andern Morgen bei der
heiligen Kommunion belohnte mir der Herr mein Verlangen nach ihm und half mir alle
Schwierigkeiten überwinden, wie sehr er verlangt, daß wir ihn oft empfangen. Als
ich von der Kommunionbank zurückgekehrt war, sagte eine Stimme in mir: „Geh hin
und sage deiner Schwägerin, daß sie bald von ihren großen Beschwerden befreit werde.
Sie werde einen kräftigen, gesunden Knaben gebären, den er aber bestimmt habe, dereinst
Priester zu werden.“ Und als ich den ganzen Tag zögerte und nichts sagen wollte,
wurde ich am Abend, wo ich eine Muttergottes-Gnadenkirche besuchte, noch einmal
dazu aufgefordert. Die liebe Muttergottes sagte: „Was hat dir mein Sohn aufgetragen?
Warum befolgst du es nicht? Geh nur hin und sag es deiner Schwägerin.“ Als ich heimkam,
saß meine Schwägerin da und weinte. Sie hatte mein Gebetbüchlein in der Hand, in
dem ein Brief meiner Klosterschwester lag, den sie eben gelesen hatte. Sie blickte
mich an und sagte: „O glückliche Seelen, die ihr seid, du und Marie.“ Ich ging zu
ihr hin und sagte, da die liebe Muttergottes sie selbst schon unterdessen umgestimmt
hatte: „Sei zufrieden, auch dich hat der liebe Gott gerade so gern. Er läßt dir
sagen, daß du bald entbunden wirst von einem gesunden, kräftigen Knaben, der aber
einst Priester werden wird.“ Dies Kind kam am anderen Morgen zur Welt und ist jetzt
an acht Jahre alt.
Sein Vater erzählte mir an Ostern, daß er alle Freude an ihm habe, er sei in der
Schule der fleißigste Schüler und brächte die besten Noten heim. Ein anderes Mal,
als ich betete für meine Verwandten, wurde mir mitgeteilt, daß meine beiden Schwägerinnen
in andern Umständen seien, aber daß die in A. sterben würde, wenn sie noch einmal
gebären werde. Und es war so. Voriges Jahr brachte sie ein totes Kind zur Welt und
starb bald darauf. Dieses Jahr 1896, als ich nach einem Besuch von A. zurückfuhr,
weinte mein Bruder noch auf dem Bahnhof bei mir und sagte: „Hätte ich dir doch damals
geglaubt, als du mir sagtest, ich solle mit meiner Frau ein jungfräuliches Leben
führen, was hätte ich jetzt ein schönes Leben. Aber jetzt ist es geschehen.“
Erwähnen will ich noch, was ich von meinem Vater erfuhr, weil ich daraus lernte,
wie beharrlich man beten müsse: Mein Vater war schon dreizehn Jahre tot. Die Mutter
und wir Kinder hatten immer große Angst, ob er wohl gerettet sei, weil er so dem
Laster der Trunksucht ergeben war. Er erkrankte an Lungenentzündung und starb schnell,
doch versehen mit allen heiligen Sterbesakramenten. Wir waren immer ängstlich, ob
er zur Gnade gekommen sei. Die Mutter betete jeden Abend mit uns für den Vater.
Auch im Sommer bei der strengsten Feldarbeit durften wir Kinder nicht eher schlafen
gehen, bis wir mit ihr für ihn den Rosenkranz gebetet hatten; im ersten Jahr nach
seinem Tod, die übrigen nur im Winter. Wir Kinder wuchsen heran und ich hatte unterdessen
schon den Entschluß gefaßt, nicht in den Ehestand zu treten und mein Leben Gott
zu weihen, als im Jahre 1873, mehrere Stunden von meiner Heimat entfernt, die erste
Mission, die ich erlebte, abgehalten wurde.
Ich war damals an 27 Jahre alt. Ich erbat mir von meiner Mutter die Erlaubnis, sie
mitzumachen, und auch von meinem Beichtvater bekam ich Erlaubnis, während der Mission
täglich die heilige Kommunion zu empfangen. Ich war voller Freude. Um ja meiner
Mutter nicht lästig zu fallen, bat ich sie um 18 Kreuzer und einen Laib Brot. Ich
hielt mit großer Innigkeit die Mission mit und weinte und betete unaufhörlich für
meinen Vater. Ich hatte eine solche Gabe der Tränen in jener Zeit, daß ich täglich
zwei Taschentücher durch und durch durchnäßte. Obwohl ich bei Verwandten hätte übernachten
und essen und trinken können, schlug ich dies alles aus, und lebte von Wasser und
Brot sechs Tage lang.
Die Nacht vor dem Schluß der Mission nahm ich mir vor, in der Kirche vor dem Heiligsten
Sakrament zu bleiben, um die ganze Nacht zu beten und zu weinen. Ich verbarg mich
in einem Stuhl. Es bemerkte mich niemand, und die Tür wurde geschlossen. Es war
schon bitter kalt, weil die Woche vor Allerheiligen. Aber wie es mir scheint, verlangte
der liebe Gott dies Opfer nicht von mir, weil er nie mehr fordert, als die Kräfte
reichen. Gegen 11 Uhr nachts hörte ich auf einmal Tritte, die Schlüssel rasselten.
Schnell schlüpfte ich wieder in meinen Winkel, aber zu meinem höchsten Leidwesen
kamen die Leute gerade in meinen Stuhl und stießen laute Schreie aus, in der Meinung,
es sei ein Gespenst und liefen der Kirchentür zu. Es war der Glöckner, der mit zwei
Mädchen gekommen war, um noch einen Kranz an ein Bild zu hängen. Dieser faßte den
Mut, noch einmal nachzusehen, und redete mich an. Ich sagte zur Ausrede, ich wolle
niemand belästigen mit Übernachten und wolle deshalb in der Kirche bleiben. Der
Mann sagte, es sei zu kalt, er werde mir schon für ein Logier sorgen, und gern oder
ungern mußte ich mit ihm eine schöne Strecke durchs Dorf laufen, indem der Glöckner
beständig rief: „Kein Platz mehr?“ Ich versetzte mich im Geist zur Heiligen Familie
nach Bethlehem, wo sie abgewiesen wurde, denn wie dort hieß es überall: „Nein!“
Endlich erbarmte sich ein Mann und sagte: „Nun, wo meine andern sind, kann auch
diese noch unterkommen. Komm nur.“ Ich trat in ein Kämmerchen, wo wir zum dritten
auf einem Lager lagen. Ich konnte nicht schlafen.
Um die Mitternachtsstunde sah ich auf einmal, wie wenn eine Gestalt zur Tür hereinkäme
und trete auf mich zu. Es war die liebe Muttergottes in einem ganz weiß wallenden
Gewand. Mit der rechten Hand machte sie mir einen Zeigefinger, und ich erinnerte
mich gleich, was sie damit meinte, denn ich hatte ihr versprochen, jeden Abend den
Rosenkranz vor dem Heiligsten Sakrament für meinen Vater zu beten, was ich an jenem
Abend unterlassen hatte, weil ich dachte, ich könne es nachts tun, und fing deshalb
gleich an zu weinen, weil ich verstand, was sie meinte. Sie aber deutete mit der
linken Hand in eine Entfernung. Ich schaute ihrer Hand nach, und schaute in eine
weite Wildnis. Später wurde mir zu wissen getan, was diese Wildnis bedeutete. Weil
mein Vater nämlich gar zu gern in lustiger Gesellschaft sich aufhielt, und sein
Geld im Jubel verpraßte, mußte er so viele Jahre lang in der Einsamkeit schmachten.
In dieser Wildnis war nichts zu sehen, als hie und da ein Dornstrauch. Hinter einem
solchen Dornsträuchlein sah ich meinen Vater ganz nackt bis an die Lenden. Seine
Farbe war eine bläuliche Totenfarbe, und die ganze Haut war ein Flecken am anderen,
der eine größer, der andere kleiner. Die Hände hatte er fest ineinander gefaltet,
wie gezwängt, und war abgemagert wie ein Totengerippe, wenn die Haut noch darüber
ist. Ich erkannte ihn nur noch an seinen Zügen und an seinem Lockenhaar. Er sah
mich so bittend an, daß ich weinte bis zum Tag.
Am Morgen fragte man mich, warum ich so geweint, aber ich verriet nichts, sondern
suchte mir in aller Frühe einen Priester. Diesem sagte ich sofort meine Erscheinung.
Er war sehr gerührt und sagte, das dürfe ich schon meiner Mutter sagen, und wir
sollten für meinen Vater, der viel zu leiden haben müsse, etwas tun, besonders heilige
Messen lesen lassen. Zum Schluß gab er mir die Versicherung als Priester, daß einmal
eine Zeit komme, wenn ich so fortfahre wie bisher, an einem Tag, wo die Gnaden recht
reichlich flössen, wie an einem Festtag oder bei einer Mission, wo er mir auch zeigen
werde, ob mein Vater erlöst sei oder nicht. Bei diesem Wort hielt ich nun den lieben
Heiland.
Wir ließen fünfundzwanzig bis dreißig heilige Messen lesen, und jedes Jahr hielt
ich sehr strenge Fasten in der Allerseelenoktav bei Wasser und Brot, daß meine Kräfte
ganz erschöpft waren, weil ich dabei streng arbeiten mußte. Trotz all der Tränen,
die ich geweint, trotz all der Hitze der Feldarbeit, die ich ertrug, und ihm aufopferte,
erfuhr ich nichts. So mußte ich von der Mission an noch zwölf Jahre bitten, also
fünfundzwanzig Jahre waren verflossen seit dem Tode meines Vaters, und nur einmal
hatte ich in der Zwischenzeit einen Trost. Dies war am 16. Juli 18, wo der Heilige
Vater Pius IX. ein Jubiläum feierte und ein vollkommener Ablaß ausgeschrieben war.
Ich ging in eine andere Kirche, um die heiligen Sakramente empfangen zu können.
Eine sehr fromme Jungfrau vereinigte sich mit mir, und wir beteten und flehten bis
1 Uhr nachmittags. Die Kirche war längst leer. Auf einmal sah ich vor mir zwei Gestalten:
Die sel. Maria Margareta Alacoque und die liebe Muttergottes, die vor dem lieben
Heiland knieten, gerade wie wir zwei. Die liebe Muttergottes sagte zu ihrem Sohn:
„Mein lieber Sohn, gewähre ihr doch die Bitte und zeige ihr ihren Vater.“ Der liebe
Heiland saß auf einem gar wunderschönen Thron und schaute gar freundlich auf die
beiden herab, und er lächelte über die Bitte seiner Mutter, und sagte, indem er
das Haupt schüttelte: „Die soll sich an ihre Sünden erinnern.“ Dabei aber sah ich
im Hintergrund weit, weit hinten, vor mir meinen Vater, und das war für mich das
Zeichen, daß ich noch viel beten müsse, bis er erlöst sei. Ich stand in der Mitte,
vor mir die liebliche Erscheinung und weit, weit hinter mir mein Vater. Dies war
das Zeichen, daß ich ihn noch befreien könne, daß es aber noch lang dauern werde,
bis er zur seligen Anschauung würde übergehen.
So vergingen zwölf Jahre und ich kam nach Mainz. Als ich die neun Josefs-Mittwoche
wieder mit großer Innigkeit abgehalten hatte, und an jedem meinen Vater empfahl,
und den Herrn beständig daran erinnerte, daß das Wort des Priesters im Beichtstuhl
sein Wort sei, also habe er mir das Versprechen gegeben, daß ich noch bei Lebzeiten
erfahren werde, ob mein Vater erlöst sei, kniete ich am letzten Mittwoch lange,
Stunde um Stunde, und weinte und flehte bis 10 Uhr, und sagte: „Heute gehe ich nicht
aus dieser Kapelle, bis ich erfahren, ob mein Vater erlöst ist. Gewähre mir doch
die Gnade. Liebe Mutter, um deiner Schmerzen willen, und du, heiliger Josef, um
deiner Betrübnis willen, und um all der Liebe willen, die dein göttlicher Pflegesohn
dir erwiesen, mußt du mir die Gnade gewähren, denn ich bin auch das Kind meines
Vaters, und ich weiß, welche Peinen er erleidet. Ich gehe nicht von dieser Stelle,
bis du ihn befreien wirst.“
Ich opferte unaufhörlich das kostbare Blut und alle heiligen Messen und Kommunionen
usw. für ihn auf. Auf einmal sah ich meinen Vater auf mich zukommen, aber nicht
mehr wie vor zwölf Jahren, abgemagert und bleifarben. Er war so schön, so jugendlich,
so vollkommen am ganzen Körper und streckte mir die Arme entgegen, als wolle er
mich umfassen. Nur an seinen Zügen und an seinem Lockenhaar konnte ich ihn wiedererkennen.
Doch war seine Hautfarbe gelb, wie Wachs, auch fehlte ihm die Frische, und sein
Blick war nicht ganz fröhlich, er hatte noch etwas Trauriges in seinem ganzen Wesen.
Ich sagte dies meinem damaligen Beichtvater (7), so hätte ich meinen Vater gesehen.
Er wies mich ganz derb ab und sagte, solche Dinge könne er nicht beurteilen. Ich
war sehr unglücklich, und weinte die ganze Woche, weil ich dachte: „Wie kannst du
arme Sünderin dir einbilden, du hättest eine Arme Seele befreit, wenn ein so frommer
Priester und Ordensmann davon nichts weiß.“ Denn ich meinte, das könne jedem Menschen
vorkommen.
Bei meiner nächsten Beichte sagte ich ihm, ich sei tief beschämt über die Worte,
die er mir gesagt, und ich wisse nicht, ob ich noch weiter für ihn beten solle,
und jetzt erst erzählte ich ihm den Vorgang vor zwölf Jahren. Darauf sagte er mir:
„Du brauchst nicht zu zweifeln, daß es solche Dinge gibt in der heiligen Kirche.
Ich bin aber noch ein junger Priester und ist mir noch nichts vorgekommen, aber
nachdem, wie du mir die Erscheinung beschreibst, mußt du annehmen, daß deinem Vater
noch das Kleid der Glorie fehlt. Du mußt also noch beharrlich beten, und ich verspreche
dir, die ganze Woche dieses Anliegen in meiner heiligen Messe vorzubringen.“
So vergingen wieder acht Tage. Am ersten Sonntag ging ich früh in die Kirche und
hörte alle heiligen Messen, die an jenem Morgen gelesen wurden, sieben bis acht,
und betete unaufhörlich für meinen Vater. Nach der heiligen Kommunion rang ich mit
dem lieben Heiland, und hielt ihn krampfhaft umfesselt. Damals hatte ich noch gar
oft die große Gnade, seine Nähe nicht nur zu fühlen, sondern ihn auch zu schauen
in sichtbarer Gestalt mit meines Geistes Augen. Ich hielt ihn so fest, und sagte:
„Ich laß dich heute nicht, du mußt mir meinen Vater in den Himmel führen.“ Bei der
letzten heiligen Messe fühlte ich einen solchen großen Schmerz in meiner Brust,
ob von der übergroßen Anstrengung, oder ob es ein geistiges Leiden war, das ich
für meinen Vater noch aushalten mußte. Als der Priester bei der heiligen Wandlung
die Hostie emporhob, sah ich auf einmal auf der rechten Seite meinen Vater an den
Altar treten, und so blieb er neben dem Priester stehen bis zur Kommunion. Als der
Priester kommunizierte, sah ich meinen Vater in der heiligen Hostie, die der Priester
empfing, verschmelzen. Die heilige Hostie und mein Vater waren verschwunden, und
ich hatte eine solche überirdische Freude, ein solches Wonnegefühl, mit der Überzeugung,
daß in diesem Moment mein Vater aufgenommen wurde in die himmlische Glorie, daß
ich nicht dran zweifeln konnte.
Dies ist mein Leben und einige Gnaden, die ich glaube, daß der liebe Gott sie in
mir gewirkt hat, um mir zu zeigen, wie wenig ich getan, und wie vieles er; wie wenig
er verlangt, und wie viel er gibt für das Wenige, das wir tun. Ich stelle alle Worte,
die ich geschrieben, unter das Urteil derer, die dieses von mir verlangen. Finden
sie nichts darin, das anderen Seelen nützen könnte, so werden sie die Schrift vernichten.
Als ich heute früh nach der heiligen Kommunion meine Danksagung verrichtete, und
ganz besonders dem Heiligen Geist für all die Gnaden dankte, und dem lieben Heiland,
daß er mich ganz besonders der Dritten Person in der Gottheit übergeben habe, daß
ich sie ganz besonders verehren und anbeten solle, brachte ich ihm auch unter anderen
Danksagungen meine Schrift zum Opfer dar, und dankte ihm für die liebevolle Leitung
während des Schreibens, weil es mir oft vorkommt, als stehe jemand neben mir und
diktiere mir die Worte, denn ich brauchte gar nicht nachzudenken, und bat ihn um
seinen Segen.
Da hörte ich in meinem Innern die Worte: „Beunruhige dich jetzt nicht mehr und habe
keine Angst, ob es Anerkennung finde oder ob die Schrift verworfen werde. Ich sage
dir, daß es nicht verworfen wird, denn man wird nicht die Hand beachten, durch die
die Gabe gereicht wird, sondern man wird auf den schauen, von dem sie ausfließt.
Sage N., es sei besser, wenn die Schrift zusammen gedruckt werde, denn bruchweise
könne man den Geist, der daraus spricht, doch nicht so recht erkennen. Und fürchte
dich nicht mehr, daß du Schaden leiden könntest, denn wenn ich alle diejenigen retten
will, die im Schifflein Petri sich befinden, auch wenn sie wenig darin tun, um wieviel
mehr werde ich diejenigen retten, die sich bemühen werden, daß dieses Schifflein
sich erweitere in den Wogen der Welt, und daß es verschönert werde, und dazu habe
ich nicht nur berufen die Priester, Missionare und Ordensleute allein, sondern alle,
die meiner Stimme folgen, und diese meine Liebe und Erbarmung, die ich ihnen zu
erkennen gebe, durch meine Worte, auch auf andere zu übertragen suchen. Denn nicht
nur im Anfang war es notwendig, daß meine Kirche sich ausbreite auf Erden, sondern
das wird solang notwendig bleiben, als die Welt steht. Und wenn es je zu einer Zeit
die Welt bedurfte, daß die Erde sich erneuere, so war es noch nie so notwendig wie
in der jetzigen Zeit, wo selbst die Christen anfangen, ein neues Heidentum zu schaffen.
Barbara
Weigand,
Dienerin
Gottes,
im
Jahre
des
Herrn
1896.“
„Darum wurde
ich vom Herrn aufgefordert niederzuschreiben,
wie solche Ungerechtigkeiten vom lieben Gott bestraft werden“.
„Wer es fassen kann, der fasse es.“
Beginn der handgeschriebenen Niederschrift MEIN LEBEN von
Barbara Weigand:
Am 10. Dezember 1930 bin ich 85 Jahre alt.
Die vielen und großen Gnadenerweise Gottes, die ich Unwürdigste in
diesen langen Jahren vom lieben Gott empfangen, mußten auf Befehl des hochwürdigsten
Herrn Bischof in Mainz aufgeschrieben werden. Dieser hochwürdigste Herr Bischof
war so überzeugt, daß es der liebe Heiland sei, Der in mir wirkt und spricht, denn
er sagte zu Fräulein Hannappel (die in den Ekstasen alles aufschreiben mußte), „daß
dies der Heiland ist, Der da wirkt und spricht, sehe ich ein. Wie können wir vor
der Öffentlichkeit mit ihr landen? Es ist ja so ein armes, ungebildetes Bauernmädchen. Wir müßten uns ja schämen. Ich habe Theologie studiert und bin Bischof;
wenn ich aber predigen will, muß ich mich erst darauf vorbereiten. Diese da hält
eine Predigt, da kann der Theologe daran studieren. Das muß der Heiland sein.“
Ein anderes Mal sagte er zu meiner Freundin, Fräulein Hannappel: „Sie müssen Stenografie
lernen, damit alles vom Mund weg kann aufgeschrieben werden. Ich will wissen, was
dieser Geist eigentlich will.“ Er selbst kaufte ihr ein Buch zu diesem Zweck. Wieder
einmal sagte er: „Schreiben Sie Ihrem Herrn Bruder nach Aachen“, der mein Seelenführer
damals war, „ich erlaube ihm, er darf die Bücher überall verbreiten. Sie können
nur Gutes stiften.“
Aber der Heiland verlangte die Einführung der täglichen heiligen
Kommunion, damit die guten treuen Kinder einen Halt hätten, weil der Unglaube
und die Gottlosigkeit immer mehr um sich greifen, auch Seine guten, treuen Kinder
mit hineingezogen würden. Er Selbst müsse ihr Halt und ihr Führer sein. Aber da
der hochwürdige Herr Bischof den Willen des lieben Heilandes nicht zu erfüllen sich
Mühe gab, mußte ich ihm sagen: „Binnen einer Jahresfrist werde Ich ihn hinweg nehmen.“
Dies geschah buchstäblich! Im darauffolgenden Jahr vor Allerheiligen wurde ich zum
ersten Mal vor ein geistliches Gericht gerufen und verhört, und in der Nacht von
Allerheiligen auf Allerseelen starb der hochwürdigste Herr Bischof Haffner.
Über
8 Jahre war Pater Alfons, Provinzial der Kapuziner in Mainz, wo ich 30 Jahre bei
meinen Verwandten mich aufhielt, mein Beichtvater. Diesem mußte ich immer sagen,
er möge doch dem hochwürdigsten Herrn Bischof Haffner sagen: „Der liebe Heiland
verlange die Einführung der täglichen Kommunion“. Als er mir sagte: „daß dies der
Heiland ist, Der in dir wirkt und spricht, das sehe ich auch. Aber wie viele, meinst
du, sind hier in Mainz, die noch an so etwas glauben?
Hier glaubt man so etwas nicht mehr. Wir Kapuziner sind hier vom
Ordinariat angenommen. Wenn ich nun käme, und wollte diesen Herren Vorschriften
machen und sagen, Ihr müßt die tägliche Kommunion einführen – das kann ich nicht,
und das darf ich auch nicht.“ Auf Befehl vom lieben Heiland mußte ich ihm dann sagen,
daß er binnen einer Jahresfrist schwer gestraft werde, wenn er den Wunsch des
lieben Heilandes nicht erfülle und es seinem Bischof nicht sage, daß der Heiland
die öftere Kommunion eingeführt haben wolle. Was sich auch dann erfüllte. „Es wäre
eine große Schande für seinen Orden, wenn es an die Öffentlichkeit gekommen wäre.“
Ein junger Pater verfehlte sich gegen die Sittlichkeit mit einem von unseren Dienstmädchen.
Als ich ihm diese Schande mitteilte und ich ihm einen Brief, den dieser junge
Pater an das Dienstmädchen schrieb, und meiner Schwägerin in die Hände kam, die
ihn sodann aufmachte und mir zu lesen gab, ging ich ins Kloster und ließ Pater Provinzial rufen, gab ihm den Brief und sagte: Hochwürden, das ist Ihre Strafe, die
der liebe Heiland vor einem Jahr ankündigte! Am darauffolgenden Sonntag predigte
er noch einmal im Dom und Tags darauf kam der Hausbursche der Kapuziner und sagte
in großer Aufregung: „Eben ist der Provinzial umgefallen beim Mittagessen und ist
tot.“ Dr. Müller sagte zu meiner Schwägerin: „Ich habe gestern während seiner Predigt
gemerkt, daß er nicht lang mehr mitgeht.“ Der Kummer brach ihm das Herz und die
Voraussage des Herrn war erfüllt: „Binnen einer Jahresfrist wird er schwer gestraft
sein.“
Bereits 6 Jahre war ich Beichtkind vom hochwürdigen Herrn Bischof
Kirstein. Während dieser Zeit verlangte der Heiland einmal, daß der erste Freitag
jeden Monats zu einem Gebetstag gemacht werde und Ihm dadurch Abbitte und Sühne
geleistet werde. Dieses geschah auch. Hochwürdiger Herr Pfarrer Forschner gab
seine Kirche dafür her, und es wurde den ganzen Tag abwechselnd darin gebetet. Abends
kamen die Männer, wenn die Fabriken geschlossen waren, und die Kirche war dicht
gefüllt mit Männern, und sie sangen und beteten, daß ich weinen mußte vor Freude.
Aber das dauerte nur einige Monate.
In der Kirche St. Christoph predigte
einmal ein Domkapitular. Ich saß gerade unter der Kanzel. Da sagte er: „Da kommt
eine in unsere Stadt herein und will eine neue Herz-Jesu-Andacht einführen. Ihr
Anhang wird immer größer. Ich sage Euch, meine lieben Zuhörer, bleibt von dieser Person weg. Die begeht Todsünde
auf Todsünde. Die kommt aus der Todsünde nicht mehr heraus.“ Nach der Predigt kam
eine Dame zu mir und sagte: „Was der Prediger sagte, das sind Sie gemeint, und lachte
mir spöttisch ins Gesicht.“ Ich weinte Tag und Nacht.
In meiner Beichte sagte ich es dem hochwürdigsten Herrn Bischof:
Sie wissen, hochwürdigster Herr, wer in St. Christoph die Abendpredigt hält“, und
ich fragte: Ist es eine Todsünde, wenn ich glaube, daß der Heiland nicht nur mit
Gott und für die Menschheit im Altarsakrament gegenwärtig ist, und daß Er aber auch
die Macht hat, mit uns zu reden? Ist das eine Todsünde? „Nein“, sagte er, „tausendmal
nein! Das ist keine Todsünde. Sie haben jetzt lange genug gegen Sie gepredigt, ich
will Ihnen sagen, daß ich Ihr Bischof bin. Sie werden von jetzt an nichts mehr hören.“
Von da an hörte ich nichts mehr von der Kanzel herab.
Im Jahre 1905 ging mein hochwürdigster Herr Beichtvater, Bischof
Kirstein, nach Rom und weilte dort 6 Wochen. Als er zurückkam, wurde von allen
Kanzeln in Mainz verkündet, daß die öftere Kommunion eingeführt wird in der ganzen
Welt. Wer sich frei von Todsünde hält, mag er verheiratet sein oder ledig, im Kloster
oder in einem weltlichen Stand, kann mit Erlaubnis seines Beichtvaters alle Tage
kommunizieren. Dies war 1905. 1906 bekam ich aber auch die Anweisung durch den Herrn, daß ich meinen geistlichen Vorgesetzten sagen muß: „Er verlange aber auch, daß die
Menschheit Ihm ein Denkmal für die große Gnade, die Er ihr erwiesen hat durch die
Einführung der täglichen heiligen Kommunion, und das soll sein in deinem Heimatdörfchen
Schippach, eine Kirche! Arme Fischer habe Ich Mir erwählt zu Meinen Aposteln.
Die unscheinbarsten Orte suche Ich Mir aus, wo Ich Meine Heiligtümer errichtet
haben will. Keine Großstädte, wo die Menschen nur hingehen, um die Städte zu sehen.“
Mein hochwürdigster Herr Beichtvater, Bischof Kirstein, sagte mir:
Alles, was in mir vorgeht in den Ekstasen, soll ich ihm aufgeschrieben zuerst bringen.
Dies befolgte ich auch. Aber nur einmal sagte er mir:
„Ich habe ihre Sachen gelesen, und gut durchgelesen, und habe es
zu den übrigen Akten gelegt.“ Als ich aber sonst niemals mehr eine Antwort von
ihm bekam, war ich sehr ängstlich. Und als ich nun einmal wieder einen Auftrag bekam
vom lieben Heiland, sagte ich: Mein Herr, Du siehst ja, daß mein hochwürdigster
Herr Beichtvater mir auf alles, was Du mir gesagt, gar keine Antwort gibt, suche
Dir doch eine andere Person, eine Klosterfrau oder einen Priester, wo es auch angenommen
und gelesen wird. Da gab Er mir zur Antwort: „Ja, es ist wahr! Die beiden Ordinariate
Mainz und Würzburg wollen Meinen Geist in dir austreiben. Ich lasse Mich aber
nicht austreiben.“
Die öftere Kommunion war in der ganzen Welt eingeführt und der Kirchenbau war genehmigt von der geistlichen und der weltlichen Obrigkeit, und 1914
wurde angefangen zu bauen. Alles Material zum Kirchenbau war da und so viel Geld
kam aus aller Herren Länder, daß die Kirche und sogar ein Kloster dazu gebaut hätten
können und alles wäre davon bezahlt worden. 1916 an Mariä Himmelfahrt wurde ich
ins Pfarrhaus gerufen und wurde mir gesagt: Der Kirchenbau ist verboten, die Kirche
darf nicht gebaut werden. So liegt bis heute der Trümmerhaufen dort. Das Geld
ist 1924 durch die Inflation verfallen; vieles Material wurde gestohlen und der
schöne Kirchenbau wäre, wie der Architekt zu meinem Bruder sagte, in nur noch zwei
Monaten unter Dach und Fach gestanden, statt dessen liegt, zum Ärgernis aller guten
Gläubigen, die ihr sauer erspartes Geld dazugegeben hatten, alles in Trümmern.
Ein sehr frommer und gelehrter geistlicher Herr sagte einmal zu mir:
„Die Verantwortung, die derjenige auf sich hat, der schuld ist, daß
der Kirchenbau verboten wurde, möchte ich nicht auf mir haben.“ Darum wurde ich aber auch innerlich aufgefordert niederzuschreiben,
wie solche Ungerechtigkeiten bestraft werden vom lieben Gott.
In Mainz ließ einmal Generalvikar Engelhart ein Dienstmädchen zu
sich kommen, das ihm alle Dienstmädchen angeben mußte, die mit Barbara Weigand
verkehren. Alle diese Dienstmädchen bekamen eine Zuschrift von ihm, daß sie an
dem Datum, das der Generalvikar angab, bei ihm zu erscheinen hätten, um etwas zu
unterschreiben. Zwei Tage vorher, wo er die Dienstmädchen bestellt hatte, sagte
er abends zu seinen beiden Dienstmädchen: „Ich will mir ein Bad nehmen“. Der Generalvikar Engelhart ging in sein Badezimmer und kam nicht zurück. Als die Mädchen nachsehen
wollten, wo ihr Herr so lange bleibt, lag er in seiner Badbütt und war tot. Und
an dem Tag, wo er die Dienstmädchen zu sich bestellt hatte, wo sie ihm unter einem
Handgelübde versprechen sollten, daß sie mit der Barbara Weigand nicht mehr verkehren
dürfen, war sein Begräbnistag.
Das Buch, das von einem Würzburger Geistlichen
(Dr. Vitus Brander
) geschrieben wurde, war auch in Mainz sehr verbreitet worden. Zwei Mainzer Domkapitulare
machten sich daraufhin auch daran, ähnliche Schriften zu verfassen. Der Herr Domkapitular Fecher wurde eines Tages von Herrn Domkapitular Landig zurechtgewiesen mit den Worten:
„Ich sage Dir, laß Deine Hand davon, haben wir nicht schon alles getan, um diese
Sache zu unterdrücken? Ist es von Gott, machen wir nichts daran, ist es nicht von
Gott, wird es in sich selbst zerfallen. Laß Deine Hand davon!“ Zwei Tage danach
mußte Herr Domkapitular Fecher in einer Kutsche ins Spital überführt werden, weil
er schwerkrank war. Seine Haushälterin besuchte ihn alle Tage. Am letzten Tag, wo
sie ihn besuchte, sagte er zu dem Mädchen: „Maria, bleibe diese Nacht bei mir, ich
fühle, daß ich diese Nacht sterbe.“ Die Haushälterin blieb die Nacht bei ihm. Von
Zeit zu Zeit habe er immer einen tiefen Seufzer geholt und gesagt mit lauter Stimme:
„O der gute Landig, der allein hat mich davor zurückgehalten, wie dankbar muß ich
ihm dafür sein.“ Acht Tage nach seinem Begräbnis kam seine Haushälterin sehr aufgeregt
zu meiner Freundin, Fräulein Hannappel und sagte: „O Fräulein, mein Herr war heute
Nacht bei mir. Es war ein Gepolter im Hause, als würden alle Möbel durcheinander
geworfen, ich konnte nicht schlafen. Auf einmal stand mein Herr da vor meinem
Bett, die rechte Hand erhoben und sagte: „Schau her, meine Hand“, und sagte: „Bete,
bete viel für mich! Ich habe viel zu leiden“, und verschwand. Seine Hand sei ganz
schwarz gewesen, wie schwarze Kohlen.
Im Oktober 1925 kam ein Brief von Fräulein Hannappel an mich, wo
sie mich bat, doch nach Mainz zu ihr zu kommen. Sie habe mir eine Mitteilung zu
machen, die sie sehr beunruhige. Als ich zu ihr nach Mainz kam, erschrak ich, als
ich ihr ins Gesicht schaute. Sie sah aus, als hätte sie eine schwere Krankheit durchgemacht.
Ich sagte: Ei Luischen, was siehst Du so schlecht aus, was ist denn mit Dir? Sie
erzählte mir nun, daß hochwürdigster Herr Generalvikar Dr. Selbst sie hätte rufen
lassen, um etwas zu unterschreiben. Als sie in sein Zimmer eingetreten sei, sah
sie neben ihm auf seinem Tisch einen großen Haufen geschriebener Schriftstücke und
Dr. Selbst hätte zu ihr gesagt: „Sehen Sie, Fräulein Hannappel, sehen Sie: diese
Schriften werden wieder in die Welt hinaus und an die Front für die Soldaten zum
Lesen geschickt“; es war doch in den Kriegsjahren 1914-1918. „Ich will doch einmal
sehen, ob das Schippach nicht zu vernichten ist.“ Dabei legte er Fräulein Hannappel
eines der geschriebenen Hefte auf den Tisch, und sagte: „Dieses müssen Sie unterschreiben.
Es handelt und ist darin aufgezeichnet, daß die vielen Bücher, die überall verbreitet
und gelesen werden, nicht von Barbara Weigand, sondern von Luise Hannappel diktiert
und aufgeschrieben sind, wollen Sie das unterschreiben?“ Fräulein Hannappel fuhr
den Herrn Generalvikar Dr. Selbst an, und sagte: „Herr Generalvikar, wollen Sie
mich zu einer Lüge zwingen, das ist doch gelogen.“
Der Generalvikar antwortete: „Wollen Sie unterschreiben oder nicht?“
Darauf Fräulein Hannappel: „Ich unterschreibe nicht! Ich war 900 Mal dabei, wo unser
lieber Heiland durch Barbara Weigand gesprochen hat, und Sie wollen mich zu der
größten Lüge zwingen, die auf der Welt je begangen würde?“ Darauf der Generalvikar:
„Wollen Sie dies Schriftstück unterschreiben oder nicht? Tun Sie es nicht, dann
werden Sie aus der Kirche ausgeschlossen.“ Bei dieser Drohung fuhr Fräulein Hannappel zusammen. Sie hatte nämlich fünf Geschwister, die Ordensleute waren, eine davon
sogar Generaloberin in Amerika und die in Amerika allein neunundzwanzig neue Ordenshäuser
gegründet hat. Als der Kulturkampf in Deutschland wütete, war Schwester Bernada
Oberin in dem Franziskaner Kloster Nonnenwert und mußte mit ihren Töchtern nach
Amerika flüchten. Um ihren Geschwistern diesen Schmerz zu ersparen, entschloß sich
Luise Hannappel, die größte Lüge (sie hätte
die Bücher diktiert) zu unterschreiben, sagte
aber zu dem Generalvikar Dr. Selbst:
„Ich unterschreibe, aber Sie haben die ganze Verantwortung.“
Als Fräulein Hannappel unterschrieben hatte, brachte der Generalvikar
seine Schriften in die Dombuchhandlung und sagte zu dem Buchhändler dort: „Die Schriften
sofort abdrucken lassen. Sie werden wieder in alle Welt hinaus gesandt. Das Schippach
muß mit aller Energie verfolgt werden.“ Vier Tage danach kam der Buchhändler heim
zu seinem Dienstmädchen in die Küche und sagte: „Denk dir, Generalvikar Dr. Selbst
ist gestorben.“ Da sagte das Dienstmädchen: „Herr, wo ist jetzt seine Energie,
mit der er die Sache von Barbara Weigand verfolgen und vernichten wollte! Dieser
Generalvikar Selbst war der größte und stärkste Mann, wie ich im Leben keinen zweiten
kennengelernt und gesehen habe. Er muß an einem Schlaganfall gestorben sein.“ Seine
Putzfrau war zu jener Zeit im 5. Stock des Hauses, oben im Speicher, beschäftigt,
da hörte sie seine Stimme: „Gekreuzigter Herr Jesus Christus, erbarme Dich meiner.“ Dieser entsetzliche Angstschrei war sein letztes Wort. Diese Putzfrau war
auch die Putzfrau von Fräulein Hannappel, der sie das Geschehene alles erzählte.
Unter der Regierung des hochwürdigsten Herrn Bischof Brück mußte
ich mich einmal vier Wochen zu einer Prüfung in das Kloster der Göttlichen Vorsehung
zurückziehen. Alle Freitage, sobald die Ekstase auftrat, mußten die Oberin des Klosters,
ein Arzt und zwei Priester, Pater Bonifaz, der damals mein Beichtvater war, hochwürdigster
Herr Professor Hubert und die Oberin des Klosters, Schwester Sebastiane, zugegen
sein. Außer diesen vier Personen durfte sonst niemand dabei sein. Einmal an einem
dieser Freitage kam kein Priester, keine Oberin, nur der dazu bestimmte Arzt Dr.
Ebner, zu mir. Dieser trat an mein Bett, und sagte:
„Heute bin ich Ihr Vorgesetzter. Ich bin auch vom hochwürdigsten
Herrn Bischof dazu bestimmt.“ Ja, sagte ich, was wollen Sie denn?
„Alles, was ich von Ihnen verlange, müssen Sie tun“, sagte er
mir sodann. Dabei trat er zurück an die Türe, hob die rechte Hand in die Höhe und
schrie: „Aufschauen!“ Ich schaute auf und sah in seiner Hand ein gelbes Blech. „Mich
anschauen“, schrie er wieder. Ich schaute ihn an und erschrak, als ich diese Augen
sah. Es schien, als wollte er mit diesem Blick mich durchbohren. Ich rief die liebe
Mutter Gottes um ihren Beistand an und meinen heiligen Schutzengel, denn ich dachte,
er wolle an mir seine Wollust ausüben. Da war es, als wenn mich zwei Hände erfaßten
und drehten mir den Kopf um, ganz nach dem Rücken. „Wollen Sie den Kopf umdrehen“,
schrie er wieder. Ich tat alles, um den Kopf ihm wieder zuzuwenden. Aber alles war
umsonst. Der Kopf stand wie in Eisen hineingezwängt. Er sprang an mein Bett und
er faßte mit beiden Händen den Kopf und wollte ihn umdrehen. Alles vergebens. Der
starke Mann hatte mich aus dem Bett herausgerissen. Aber den Kopf konnte er nicht
umdrehen. Ich fing an zu weinen, weil ich glaubte und dachte, wie unglücklich bist
du jetzt, wenn ich den Kopf gar nicht mehr umdrehen kann.
Nun sah er doch ein, daß hier eine höhere Gewalt obwalte, und daß
er hier nicht ausführen kann, was er im Sinn hatte.
Über meinem Bett hing ein Bild an der Wand, die Heilige Familie (die
Oberin sagte mir später, es sei vom Heiligen Vater selbst geweiht. Ihr Hausgeistlicher
habe es ihr von Rom mitgebracht). Dieses Bild riß der Arzt von der Wand und legte
es mir auf die Brust. In dem Augenblick durchwehte meinen ganzen Körper ein so wohliges
Gefühl, und ich konnte augenblicklich den Kopf wieder umdrehen. Als der Arzt dieses
Wunder sah, merkte er, daß hier eine höhere und stärkere Hand walte, als die seine.
Er hängte das Bild wieder an seinen Platz und deckte mich schön mit meiner Bettdecke
zu, und sagte: „Heute habe ich Sie müde gemacht. Schlafen Sie jetzt“, und lief
zur Tür hinaus. Als der Arzt fort war, fing ich an zu weinen, weil ich überzeugt
war, daß der liebe Gott ein Wunder wirkte. Den nächsten Tag erfuhr ich erst, was
Dr. Ebner an diesem Tag mit mir machen wollte. Er wollte mich hypnotisieren. Dies
sei Zauberei und wäre eine Todsünde für jeden Katholiken, der sich damit abgibt.
Deswegen blieben an diesem Tag die Oberin und die zwei Priester weg. Als der Doktor
zur Tür hinaus war, kamen die Priester und die Oberin. Und als sie mich so bitterlich
weinen sahen, fragten sie:
„Warum weinen Sie so sehr?“ Ich sagte: Wo waren Sie heute? Sie sind
vom H. H. Bischof dazu gestellt. Warum lassen Sie den Doktor allein?
„Was wollte er denn mit Ihnen machen?“, sagte sie. Die beiden Priester
und die Oberin wußten wohl, daß der Arzt an diesem Tag mich hypnotisieren wollte.
Weil es eben streng von der Kirche verboten ist, gingen sie nicht in mein Zimmer,
bis der Doktor fort war.
Hören wir nun aber auch, wie sie für ihre Feigheit und Menschenfurcht
Gott bestrafte.
Vor meiner Entlassung aus diesem Haus kam eines Tages Herr Professor
Hubert und ließ mich und die Oberin ins Sprechzimmer rufen. Hier wurde ich über
alle Zustände hin und her ausgefragt. Dann sagte er:
„Fräulein, wir alle sind fest überzeugt, daß ihre Sache ganz übernatürlich ist. Es ist auch Natürliches dabei. Das ist eben bei allem so. Auch bei den
größten Heiligen kommt dies vor.
Die heilige Katharina von Siena sagt gerade das Gegenteil, was die
heilige Brigitta sagt. Bei ihrer Seligsprechung wurde dies beanstandet. Eines
von beiden könne nicht echt sein. Und da habe der Heilige Vater den Ausspruch festgelegt:
Dies läßt der liebe Gott zu, damit die Menschen die Privatoffenbarungen nicht über
die stellen, die Sein Sohn uns überliefert oder diesen gleichstellen. Ihre Sache
ist ganz übernatürlich.“ Als aber vom geistlichen Gericht beschlossen war, mich
als hysterisches Weib zu erklären, reiste Professor Hubert ab. Und ich glaube, daß
er dies tat, weil er seinen Namen nicht unter dieses Resultat schreiben wollte und
sich selbst Lügner strafen wollte, da er doch zu mir gesagt hatte:
„Wir sind alle überzeugt, daß Ihre Sache ganz übernatürlich ist.“
Beide Priester wurden irrsinnig und starben 1918 im Oktober. Der eine in Davos in
der Schweiz, der andere in einer Irrenanstalt in einer Stadt am Rhein.
Solange ich in diesem Kloster eingesperrt war, durfte kein Mensch
mich besuchen, und ich durfte nur in die heilige Messe und kommunizieren, und sonntags
um 11 Uhr kam mein Beichtvater und hörte meine Beichte. Am letzten Sonntag vor meiner
Entlassung sagte mir der Beichtvater, es war Pater Bonifazius: „Hören Sie einmal:
heute müssen Sie mir versprechen, daß Sie kein Wort sagen, was man mit Ihnen hier
in diesem Haus gemacht hat. Unter einer Todsünde verbiete ich es Ihnen.“ Ich mußte
ihm unter einem Handgelübde versprechen, und nochmals sagte er: „Jedesmal begehen
Sie eine Todsünde, wenn Sie ein Wort sagen, was man hier mit Ihnen gemacht hat.“
Ich gab ihm ein Handgelübde, und er entließ mich. Das war eine harte Zeit für mich.
Ich weinte Tag und Nacht. Mein ganzes Wesen sträubte sich, ob ich nicht zu einem
anderen Beichtvater gehen solle. Ich fing eine neuntägige Andacht an und bat um
Erleuchtung.
Am letzten Tag bei meiner heiligen Kommunion sagte ich: „Lieber Heiland, sag mir doch, zu welchem Beichtvater ich jetzt gehen soll.“ „Zu Pater Bonifaz!“,
war die Antwort. Ich bereitete mich vor, stand auf und kniete mich an seinem Beichtstuhl.
Er muß selbst erschrocken sein, denn er fragte mich: „Was wollen Sie?“ „Ich will
beichten,“ sagte ich und fing an, meine Sünden zu bekennen. Als ich damit fertig
war, fing er an und sagte: „Jetzt aber sag ich Ihnen: bleiben Sie bei Ihrer Überzeugung!
Es ist der Heiland, der in Ihnen wirkt und spricht. Bleiben Sie bei Ihrer Überzeugung,
und wenn alle Bischöfe und ganz Deutschland gegen Sie gehen. Bleiben Sie bei Ihrer
Überzeugung, und wenn alle Teufel aus der Hölle gegen Sie gehen.“ Und er gab mir
die Absolution, und ich blieb sein Beichtkind, bis der liebe Gott Selbst eingriff.
Pater Bonifazius hatte eine Schwester, die sich auch in Mainz aufhielt. Wegen Geisteskrankheit
kam dieselbe in das kleine Krankenhaus zu den Schwestern der Göttlichen Vorsehung.
In einer Nacht stieg diese Person auf den Speicher und hob sich ein Dachfenster
auf und stürzte sich durch das Fenster auf das Straßenpflaster, brach sich das Genick
und wurde tot aufgefunden. Es kam aber nicht an die Öffentlichkeit und sie wurde
begraben, als sei sie einen gewöhnlichen Tod gestorben. Dieser Vorfall mag auch
dazu beigetragen haben, daß Pater Bonifazius in einem Irrenhaus sterben mußte.
Nach meiner Entlassung aus dem Kloster der Schwestern der Göttlichen
Vorsehung wurde Professor Hubert zum Direktor der Schwestern der Göttlichen Vorsehung
erhoben und Schwester Sebastiane, die seitherige Oberin, wurde zur Generaloberin
gemacht. Diese Schwester Sebastiane mußte mich Tag und Nacht überwachen, solange
ich zur Prüfung in ihrem Kloster bleiben mußte. Sie mußte mir das Essen bringen,
und von meinem Zimmer ging eine Tür in ein anderes Zimmer, wo nachts die Tür halb
offen stand und ich von Zeit zu Zeit hörte, daß jemand in diesem Zimmer sich aufhielt.
Ich öffnete bei Tag die Türe und sah nach. Da stand ein Bett da. Ich nehme an, daß
Schwester Oberin sich da aufhalten mußte, weil der hochwürdigste Bischof zu mir
sagte:
„Die Oberin, Schwester Sebastiane, wird Tag und Nacht um Sie herum
sein. Mit ihr können Sie sich über alles aussprechen.“ Einmal kam sie in mein Zimmer,
wo ich da saß und weinte. Sie fragte: „Warum weinen Sie!“ Ich sagte: „Liebe Schwester
Oberin, als die Vorladung kam, daß ich auf vier Wochen mich in Ihr Kloster zu einer
Prüfung begeben mußte, lag meine Schwägerin im Sterben. Der Arzt und die Krankenschwester sagten beide, sie sei verloren, sie würde sterben. Hier sitze ich und
weiß nicht, ob sie noch lebt, oder sie schon gestorben ist, und meine Nichte muß
sich mit ihren Dienstmädchen nun allein um alles kümmern. Und hier? Man macht
doch, was man will! Ich hatte auch schon gehört, daß man bei mir alles für Hysterie
erklären wollte, was dann auch geschah. Als hysterisches Weib mußte ich das Haus
verlassen.
„Liebes Fräulein“, sagte die Oberin, „wenn man Ihre Sache verwerfen
wollte, müssen wir alle Legenden der Heiligen auf den Scheiterhaufen werfen und
verbrennen. Ihre Sache ist ganz übernatürlich. Ich hole Ihnen ein Buch von der heiligen
Luitgard. Da lesen Sie andere Sachen wie bei Ihnen. Was da drinnen steht, würde
heute in Deutschland nicht mehr geglaubt werden.“ Sie gab mir das Buch zum Lesen,
und ich dachte oft beim Durchlesen: Schwester Sebastiane hat recht, wenn sie sagt:
So was glaubt man bei uns Deutschen nicht mehr.
Als aber die Prüfung abgeschlossen wurde und jeder von denen, die
der hochwürdigste Herr Bischof zu dieser Prüfung zugesellt hatte, sein Urteil
abgeben mußte, sagte diese Oberin: „Ich nehme an, daß diese Barbara Weigand eine
solche hochmütige Person ist, daß sie sich einbildet, sie sei eine Heilige.“ Das
war Mutter Sebastiane, die zu mir gesagt hatte:
„Wenn unsere geistlichen Vorgesetzten Ihre Sache verwerfen, müssen
wir alle Legenden der Heiligen verbrennen.“
Und hören wir aber auch weiter: Zwanzig Jahre, nachdem ich in Mainz
diese Zeitperiode durchzumachen hatte und ich in meine Heimat zurückgekehrt war,
bekam ich einen Brief von Fräulein Hannappel. Sie lud mich ein, nach Mainz zu kommen.
Eine Schwester von der Göttlichen Vorsehung wolle mich einmal sprechen. Ich reiste
sofort nach Mainz ab und Fräulein Hannappel ging mit mir zu Schwester Luzina, die
Oberin im Marien-Hilf-Stift war, und diese erzählte mir: „Es sind jetzt zwanzig
Jahre her. Ich war damals als Novizin noch im Kloster, wie Sie bei uns vier Wochen
eine so harte Prüfung zu bestehen hatten. Wenn unsere Oberin uns Schwestern alles
erzählte, wie der Dr. Ebner mit Ihnen umgeht, weinten wir Schwestern alle mit
ihr. Und dieselbe Oberin gibt am Schluß der Prüfung ihr Zeugnis dahin ab, sie nehme
an, die Barbara Weigand bildet sich ein, sie sei eine Heilige. Nun sollen Sie aber
wissen, wie dieselbe von Gott gestraft wurde. Als Generaloberin bekam sie auf einmal
eine Krankheit, die kein Arzt in der ganzen Stadt Mainz ergründen und heilen konnte.
Sie aß nicht mehr, sie fraß. Ihr Leib bekam einen Umfang, daß die Schwestern zwei
Betttücher zusammennähen mußten, um den dicken Körper bedecken zu können. Sie schrie
und machte einen solchen Spektakel, daß man sie in den 4. Stock in ein Dachstübchen
verbringen mußte. Liebes Babett‘chen, ich wäre sehr begierig zu sehen, was sie machen
würde, wenn Sie sie sehen würden. Gehen Sie doch einmal mit mir, ich will Sie hin
begleiten.“ „Ach nein, sagte ich, Schwester Luzina, hingehen will ich nicht. Ich
verzeihe allen, die mir Unrecht getan. Und der liebe Gott soll ihr beistehen, aber
sehen will ich sie nicht.“ Die Ärzte nannten ihre Krankheit Elefantiasis. Sie ist
aber vor einigen Jahren gestorben.
Jetzt will ich noch den unvorhergesehenen Tod von Fräulein Hannappel
beifügen. Im Jahre 1923 im Oktober, wo sie vom Generalvikar Dr. Selbst gezwungen
wurde zu unterschreiben, daß sie die Schriften der Barbara Weigand nicht nur aufgeschrieben,
sondern auch diktiert hätte, ich möge doch nach Mainz zu ihr kommen, sie hätte etwas
tun müssen, was sie sehr beunruhigen würde. Ich reiste von Aschaffenburg nach Mainz
und sie erzählte mir, wie hochwürdigster Herr Generalvikar sie gezwungen hatte,
zu unterschreiben, daß sie (selbst) die Bücher nicht nur geschrieben, sondern
auch diktiert hätte. Sodann im November ging es mit ihr immer schlimmer und am 15.
Dezember, nachmittags 5.00 Uhr, war sie tot. Als sich in der Stadt verbreitete,
daß Fräulein Hannappel im Sterben liege, füllte sich das Haus mit Freundinnen. Der
hochwürdigste Herr Bischof Hugo war doch 3 ½ Jahre mein Seelenführer und ließ mir
durch seine Schwester sagen, ich solle ganz von ihrem Bett wegbleiben und nur in
ein Nebenzimmer gehen, was ich befolgte. Da kamen die Mädchen in mein Zimmer, und
sagten: „Gehen Sie doch einmal hinein zu ihr. Sie sagt in einem fort, das ist eine
Strafe.“ Sie meinte damit, ihr Tod sei eine Strafe. Ich ging an ihr Bett. Da streckte
sie die Arme nach mir aus, schlang sie mir um den Hals und zog mich an sich. „Babett‘che,
es ist eine Strafe“, und sonst kein Wort, als „es ist eine Strafe.“ Dann sagte sie
dreimal „Jesus, Jesus, Jesus“, und hauchte ihre Seele aus.
Nach ihrem Begräbnis ließ mich der hochwürdigste Herr Bischof Hugo
in seinen Palast rufen und sagte: „Sie bleiben in meiner Diözese und gehen mit H.
H. Pfr.. nach Kelsterbach,“ was ich auch tat. Da kam bald ein Brief von Mainz. Da
schrieb man mir: „Jetzt wissen wir auch, warum Fräulein Hannappel in ihrer Sterbestunde
immer sagte: „Es ist eine Strafe“. Sie mußte sterben, weil sie sich vom Generalvikar
Dr. Selbst zwingen ließ, die Lüge zu unterschreiben, sie habe die Bücher diktiert.
Möge doch in unserem armen Deutschland das übernatürliche Glaubensleben mehr geübt
und gepflegt werden.“
In Eibingen sagte der Bischof von Limburg: „Warum haben wir in unserem Vaterland seit zweihundert Jahren keine Heiligsprechung mehr? Ich will euch
sagen, warum: Wo eine Seele auftaucht, die mehr betet, die heiligen Sakramente mehr
empfängt als gewöhnliche Christen, da wird sogleich zusammengedrückt von allen Seiten
und beschworen, sowas darf nicht aufkommen! Ich sage Euch, meine lieben Herren Pfarrer:
geht in Eure Pfarrgemeinden zurück und führt das übernatürliche Glaubensleben
wieder ein. Dann bekommen wir auch wieder Heilige.“
Im Jahre 1916, als der Kirchenbau schon verboten war, wollte ich
zu meinem Bruder nach Aschaffenburg. Als ich in Obernburg umsteigen mußte, kam ein
vornehmer Herr auf mich zu, und sagte: „Frau, Sie kommen von Schippach, nicht
wahr?“ Ich sagte: „Ja, ich bin von Schippach.“ Da fing er an: „Frauchen, ich habe
heute die Reise von Würzburg nach Schippach gemacht, um mir den Kirchenbau einmal
anzusehen. Was für eine Schmach, diesen Kirchenbau zu verbieten, der so weit schon
ausgebaut und so notwendig für Rück-Schippach gewesen wäre. Ich und meine Freunde
in Würzburg freuten sich, und wir sagten uns: Da gehen wir oft hin, da haben wir
in unserer Diözese eine schöne Erholung in den Spessartwäldern und auch eine Labung
für die Seele. Frau, wenn Sie zurückkommen, gehen Sie zu Ihrem Bürgermeister und
sagen ihm, er soll zwei Männer nach Würzburg schicken zum hochwürdigsten Herrn Bischof
und sagen: Hochwürdigster Herr Bischof, wir verlangen, daß die Kirche in Schippach
fertig gebaut wird.
Als wir am Südbahnhof anlangten, sagte ich: „Ich danke Ihnen, mein
Herr, für Ihre lehrreiche Unterhaltung. Ich will Ihnen auch sagen, wer ich bin.
Mein Name ist Barbara Weigand, ich bin die Person, die diesen Kirchenbau befördert
und das Geld herbeigeschafft hat. Man hat mich als hysterisch erklärt und deswegen
wurde der Kirchenbau verboten.“ Da fuhr der Herr zusammen, und sagte: „Sie sind
diese Barbara Weigand?“ Ich sagte: „Halten Sie mich für ein solches Weib?“ „Nein,
tausendmal nein, Sie sind also diese Barbara Weigand, von der mir Herr Ulrich
aus, der mit mir eine Reise nach Jerusalem machte und mir viel erzählte von dem
Kirchenbau in Schippach und auch von Ihnen. Er sagte mir: „Sie ist eine ganz einfache,
bäuerliche Person, aber charakterfest und fromm.“ Ich erzählte dies, als ich zurückkam
nach Schippach unserem Herrn hochwürdigen Herrn Pfarrer. Der sagte zu mir: „Wissen
Sie auch, wer dieser Herr war? Dies war der Herr Oberpräsident von Würzburg, der
war an diesem Tag auch hier in Schippach.“
In Würzburg wurde vor Jahren die St. Albanus-Kirche gebaut.
Als sie fertig war, ging ich zum hochwürdigsten Herrn Bischof und sagte: „Bischöfliche
Gnaden, für die neue Pfarrei der Albanus-Kirche, bitte nehmen Sie den Hochwürdigen
Herrn Pfarrer.. Dieser war nämlich ein frommer, seeleneifriger Priester. Da sagte
Herr Bischof zu mir: „Das kann ich nicht, da warten schon ältere Pfarrer darauf.“
„Herr Bischof“, sagte ich, „wer zahlt, darf auch mitreden. Wer hat den Kirchenbau
bezahlt? Ich verlange, daß dieser Kaplan Pfarrer in dieser Pfarrei wird.“
Ich glaube ganz sicher, daß wir in Deutschland die Zustände nicht
hätten, wie sie jetzt anstehen, wenn man den vom Heiland verlangten Kirchenbau
nicht verhindert hätte. Alles Material war da und war bezahlt. Und so viel Geld
kam aus aller Herren Länder, daß wir zwei Kirchen hätten bauen und bezahlen können.
Von 1916 bis 1924, wo der Staat bankrott war, wäre die schöne, große Kirche innerlich
und äußerlich ausgebaut gewesen, und der Heiland würde darin angebetet. So wahr
es ist, daß Er durch mich Armseligste die Einführung der täglichen Kommunion verlangte,
so wahr ist es aber auch, daß Er diesen Kirchenbau verlangte. Diese Kirche soll
stehen bis zum Ende der Welt als Warnungstafel für die, die es wagen wollen, an
dem Kommuniondekret von Papst Pius X. zu rütteln. Aber auch als Siegeszeichen für
jene, die ein gutes Werk fördern und errichten wollen und dafür verfolgt und unterdrückt werden, daß: Wenn sie ausharren und ihr Vertrauen auf Mich setzen, Ich
es doch noch zum guten Abschluß führe. Ja, mein Herr und mein Gott, auch ich setze
mein ganzes Vertrauen auf Dich. Du wirst meine geistlichen Vorgesetzten noch einsehen
lassen, daß es ein Unrecht war, den Kirchenbau zu verbieten und mich als hysterisches
Weib und als Ketzerin zu beurteilen. Ich bin ein armes, sündiges Menschenkind, wie
wir alle. Aber eine Ketzerin und ein hysterisches Weib bin ich nicht. (Hochwürdiger
Herr Dr. Vitus Brander schreibt nämlich in seinem Buch: sie hört Stimmen, aber was
für Stimmen; Männerstimmen hört sie). Ein solcher Theologe, der eine Seele so beurteilt,
die er gar nicht kennt, vor allen Menschen, die dies lesen in seinem Buch. Herr
verzeihe ihnen, sie wissen nicht, was sie tun. Gelobt sei Jesus Christus in alle
Ewigkeit. Amen.
Nachtrag: Heute Nacht fiel mir noch ein, daß ich ein paar wichtige
Punkte aufzuschreiben habe: Als der hochwürdigste Herr Bischof Haffner von Mainz
Fräulein Hannappel gesagt hatte, sie soll ihrem Bruder, dem Guardian im Kapuzinerkloster
in Aachen schreiben, er dürfe die Schriften von Barbara Weigand überall verbreiten,
nur nicht in Mainz, weil er mit seinem Domkapitel nichts zu tun haben wolle, tat
er dies dann auch. Die Schriften wurden von anderen abgeschrieben und verbreitet
und überall gelesen.
So kam eines Tages ein Herr aus Köln und wollte mich sprechen. Dieser
geistliche Herr war Professor an der Universität in Köln und seine Ferienreise
war des öfteren auch nach Mainz, um mich zu besuchen. Einmal reiste er sogar nach Schippach, um den Bauplatz zu sehen. Ein Verwandter von ihm war mit ihm gleichen
Ranges und auch angestellt an der Kölner Universität. Der erste, von dem ich sagte,
daß er mich oft besuchte, wurde weiterbefördert von hochwürdigsten Herrn Erzbischof,
seinen Vetter. Und dies erregte Neid und Eifersucht bei seinem Vetter und so schwärzte
er ihn beim Erzbischof so sehr an, daß dieser diese Verleumdung auch glaubte.
Professor N.N. (die Namen will ich nicht nennen) wurde abgesetzt von seiner Stellung,
bekam kein Gehalt mehr und wäre auf die Straße gesetzt gewesen, wenn er nicht mit
seiner Schwester im eigenen Haus hätte wohnen können.
Von 1900 bis 1903 war ich in Rück bei meiner verheirateten Schwester,
deren Mann schon jahrelang gestorben ist und die krank war. Da hörte ich einmal
eine innere Stimme, die mich aufforderte, sofort einmal nach Mainz zu gehen. Ich
fragte meine kranke Schwester, ob sie mir erlaube, einmal einige Tage nach Mainz
zu gehen. „Ei ja“, sagte sie, „Valentin (ihr Sohn) wird ein paar Tage dann den Haushalt
besorgen können.“
Ich reiste ab. Kaum war ich in Mainz bei Fräulein Hannappel angekommen, als mit mir zugleich obengenannter Professor aus Köln auch ankam. Ins Zimmer
eingetreten, fing der gute, früher hochangesehene geistliche Herr so bitterlich
zu weinen an und unter lautem Schluchzen erzählte er die unglückliche Lage, in die
er versetzt sei durch die boshafte und ungerechte Verleumdung seines Vetters. Und
er erzählte: Es war in den Kriegsjahren 1914, wo alle Lebensmittel so teuer waren.
Da er gar kein Gehalt mehr bekam, müsse er mit Rucksack auf dem Buckel in Bauerndörfer
herum, um für sich und seine Schwester Brot, Kartoffel und Gemüse zusammenzubetteln,
um nicht verhungern zu müssen. Und wir beide weinten mit ihm. Und Fräulein Hannappel
gab ihm auch einen Zehrpfennig mit..
Alle Tage betete ich für diesen Priester, daß der liebe Gott doch
seine Unschuld an das Tageslicht fördern möge, und daß er standhaft bleibe in seinem
Vertrauen auf Gott. Ich reiste anderen Tages wieder ab. 1915 bekam ich einen Brief
von der Generaloberin in Untermarchtal (Württemberg). Sie schrieb mir: „Ich will
Ihnen zu Ihrem Kirchenbau in Schippach auch Tausend Mark beisteuern, aber sie
müssen dieselben bei mir persönlich abholen.“ Ich reiste hin in ihr Kloster und
mußte einige Wochen dort bleiben, weil sie mich auch in einige ihrer auswärtigen
Klöster schicken wollte. Ich mußte in der Schweiz eines ihrer Klöster besuchen,
und als ich von dort zurückkam, sagte sie: „Die Schwester vom hochwürdigsten Herrn
Bischof von Rottenburg war bei mir, und sagte, Sie möchten doch auch bei ihr einige
Tage in Stuttgart, wo sie zwei Klöster zu verwalten hatte als Oberin, bleiben. Auf
meiner Rückreise in die Heimat stieg ich in Stuttgart ab und blieb zwei Tage dort.
Am ersten Tag, als ich in der Klosterkirche die heilige Kommunion empfangen hatte,
kam ich in Ekstase. Da sagte mir der liebe Heiland: „Was Ich dir jetzt sage, schreibst
du auf und übergibst den Brief der Oberin, daß sie den Brief ihrem Bruder, dem Bischof
von Rottenburg, schicken soll.“
Dann fing der Heiland an zu reden: „Es ist ein Mißstand eingerissen
in Meiner Kirche, der beseitigt werden muß. Wenn ein Priester bei seinem Bischof
verklagt wird über einen großen Fehler, den derselbe begangen haben soll, soll
der Oberhirte den Angeklagten nicht eher bestrafen, bis er auch untersucht hat,
ob der Angeklagte auch den Fehler begangen. Denn gar oft steckt Neid und Eifersucht
dahinter und der unschuldig verleumdete Priester kommt in eine Situation, die ihn
zum Abfall von seinem heiligen Glauben bringt. Diese Mißstände müssen beseitigt
werden. Ehe der Oberhirte den Angeklagten bestraft, muß er erst genaue Erkundigungen
sich bei anderen einholen, die beide Priester kennen.“
Die Oberin nahm den Brief und schickte ihn ihrem hochwürdigsten Bruder nach Rottenburg. Zwei Monate nach diesem Vorgang kam obengenannter Professor
nach Mainz und brachte mir und meiner Freundin die freudige Botschaft, daß er wieder
in seinem Amt sei. Sein Erzbischof habe den Ankläger entlarvt.
Als ich einmal aus der Kirche von Schippach von der heiligen Messe
herauskam, kam ein geistlicher Herr auf mich zu, und sagte: „Nicht wahr, Sie sind
doch Fräulein Barbara Weigand?“ Er hat, wie mir scheint, im „Engel“ (Gasthaus in Schippach, das auch noch dem Namen nach existiert) übernachtet. Ich sagte: „Ja, ich bin Barbara Weigand.“ Sodann sagte er: „Bitte,
wollen Sie nicht mit mir in das Gasthaus? Ich möchte Sie einmal sprechen.“ Ich sagte:
Hochwürdiger Herr, wenn Sie mich sprechen wollen, gehen Sie lieber mit mir in meine
Wohnung, und deutete auf unser Haus, ich gehe mit Ihnen ins obere Zimmer, da können
Sie ungenierter sprechen, als in einem Wirtshauslokal. Er ging mit mir, und ich
führte ihn ins obere Zimmer und wir setzten uns beide an den Tisch. Er fing an zu
sprechen, und sagte: „Ich habe eine weite Reise gemacht, um mit Ihnen einmal sprechen
zu können. Länder und große Städte habe ich durchreist.“ Dann fing er an, allerlei
Fragen an mich zu stellen, die ich ihm beantworten mußte. Auf einmal sprang er auf
und streckte beide Arme in die Höhe und rief:
„Fräulein, ich bin verdammt. Ich bin verdammt“, schrie er dreimal,
und ein Strom von Tränen stürzten aus seinen Augen. Ich stand und drückte ihm die
ausgestreckten Arme herab, und sagte: Hochwürdiger Herr, Sie sind nicht verdammt.
Sie sind Priester, und als solcher wissen Sie noch besser als ich, daß, solange
der Atem ein- und ausgeht, kann der Mensch noch gutmachen, wenn er auch tief gefallen
sein sollte.
Wir sind alle Menschen. Auch der Priester ist ein Mensch. Haben Sie
einen großen Fehler gemacht, den Sie sich schämen, zu beichten in ihrer nächsten
Umgebung, dann sage ich Ihnen: Sie sagten vorhin, daß Sie Länder und Städte durchgereist
hätten, um zu mir zu kommen. Ich bitte Sie, Hochwürdigster Herr (an seinem Hut erkannte
ich den Bischof, ich war 30 Jahre in Mainz. Wenn der Bischof mitunter auch schwarz
wie andere Priester gekleidet ist, am Hut erkennt man ihn), wenn Sie auf Ihrer Rückreise
nach Aschaffenburg kommen, fragen Sie nach dem Kapuzinerkloster und beichten dort
Ihren Fehler, den Sie sich zu beichten schämen in Ihrer Umgebung. Hier kennt Sie
ja niemand, und Sie können glücklich und zufrieden in ihre Heimat zurückkehren.
Und als die Zeit zur Abfahrt mit dem Zug nach Aschaffenburg war, stand er auf, ging
rückwärts, um mir ins Gesicht sehen zu können, und weinte, daß die Tränen an den
Kleidern herunter flossen. Und so dastehend, streckte er noch die beiden Arme an
der Türe aus und führte sie in einem Bogen um sich herum, und sagte: „Fräulein,
ich habe viele, viele Seelen zu verwalten, ich empfehle sie alle Ihrem Gebet.
Besonders aber mich, beten Sie viel für mich.“ Ich begleitete ihn an die Bahn. Als
er mir die Hand zum Abschied reichte, liefen die Tränen ihm nochmals über die Wangen.
Zwei Jahre darauf kam ein Brief, aber keine Stadt, kein Land und
kein Name war genannt, nur: „Liebes Fräulein, vor zwei Jahren kam ein Priester vom
Gasthaus „Zum Engel“ auf Sie zu, als Sie aus der Kirche in Schippach heraustraten.
Der Priester bin ich. Ich habe Ihren guten Rat befolgt und bin wieder glücklich
und zufrieden. In meinem ganzen Leben sind Sie in mein Gebet eingeschlossen.“ Punktum:
kein Name, keine Stadt und kein Land war genannt. Er mußte doch ein sehr frommer
Bischof gewesen sein, sonst hätte er seinen Fehler nicht so beweint.
Nach dem Krieg kam 1918 der Herzog von Mecklenburg-Schwerin mit seiner
Gemahlin und Bedienung zu hochwürdigen Herrn Pfarrer Nöth nach Schippach und ließen
mich ins Pfarrhaus rufen. Die Herzogin war eine Nichte vom Kaiser von Österreich
und der Herzog vom deutschen Kaiser Wilhelm ein Bruder. Die Herzogin war gut katholisch
und der Herzog Protestant und Großherzog, und weil dieser Großherzog katholisch
wurde und auch seine Kinder katholisch taufen ließ, wurde der Großherzog vom Kaiser
Wilhelm, seinem Bruder, abgesetzt und sein jüngerer Bruder wurde Großherzog. Zur
Strafe, weil er katholisch wurde. Doch hatte der Kaiser erklärt: „Wenn sein Sohn
volljährig sei, werde dieser wieder zum Großherzog vom Kaiser ernannt.“ Als dieser
Sohn aber 18 Jahre alt war, ließ der Großherzog seinen Neffen umbringen. Dies
geschah in den Kriegsjahren 1914 bis 1918. Als der Herzog vom Krieg zurückkam, fing
er mit seinem Bruder einen Prozeß an, denn er hatte Zeugen, die dies beschwören
konnten. Der Großherzog hatte im Prozeß angegeben, ihr Sohn hätte sich selbst das
Leben genommen. Und da sie auch von dem Verkehr des Heilandes mit mir gehört hatten,
reisten sie zusammen hierher und Hochwürden Pfarrer Nöth mußte mir im heiligen
Gehorsam befehlen: Der Heiland solle mir mitteilen, ob sie den Prozeß mit dem Großherzog
gewinnen oder nicht. Hochwürden Pfarrer Nöth mußte anderen Tags in Schippach um
die Mittagszeit die heilige Messe lesen, und ich sollte mit den beiden Herzogsleuten
sprechen und den Heiland fragen, ob ihr Sohn verdammt sei, der doch so meuchelmörderisch umgebracht wurde, und ob sie den Prozeß mit dem Großherzog gewinnen würden.
Darauf bekam ich vom lieben Heiland die Antwort:
„Verdammt ist ihr Sohn nicht, hat aber ein langes Fegefeuer wegen
seiner Jugendsünden zu erleiden. Aber Ich verspreche dem Herzog und seiner Gemahlin,
wenn sie den Prozeß fallen lassen, weil wieder viel unschuldiges Blut fließen
würde, Ich sofort ihren Sohn aus den Peinen des Fegefeuers zu befreien“, was sie
dann auch versprachen.
Bei ihrem Abschied schenkte mir die Frau Herzogin ihren Mantel. An
der Bahn Rück und Schippach wollten die hohen Herrschaften noch einmal mich sehen.
Vor all den Leuten umarmten mich beide, der Herzog und seine Gemahlin, und der Herzog
sagte laut: „Wir kommen noch einmal zu Ihnen.“ Als sie aber nach Aschaffenburg
kamen, ließen sie sich das Schloß und die Kirchen, besonders die Stiftskirche, vom
hochwürdigen Herrn Stiftspfarrer zeigen. Dieser fragte die hohe Herrschaft:
„Woher habe ich denn die große Ehre, eine Herzogsfamilie in unserer
Stadt und sogar in meiner Kirche zu sehen?“ Der Herzog sagte ganz laut, daß mein
Bruder, der mit dabei stand, es auch hörte: „Wir waren in Schippach und haben die
Barbara Weigand einmal aufgesucht.“
„Ei was“, sagte der Stiftspfarrer, „die Barbara Weigand haben Sie
besucht? Das ist alles Schwindel. Das hätten Sie nicht tun sollen. Das ist ja
von der kirchlichen Obrigkeit verworfen usw.“
„O armes, armes Deutschland, kehre endlich zurück zu einem übernatürlichen Glaubensleben! Dann bekommen wir auch wieder Heilige“, sagte der hochwürdigste
Herr Bischof von Limburg in seiner Predigt in Eibingen bei der Feier des
500-jährigen Jubiläums der heiligen Hildegardis, deren Gebeine in jener Kirche aufbewahrt und
verehrt werden.“
Ende der handgeschriebenen Niederschrift „MEIN LEBEN“ von Barbara Weigand. Es
wurden von uns keinerlei Veränderungen in diesem handschriftlichen Schriftstück
vorgenommen. Die Red.
MEIN LEBEN FÜR GOTT
Verfasst von Barbara Weigand
85jährig. „Darum wurde ich
vom Herrn aufgefordert
niederzuschreiben, wie solche
Ungerechtigkeiten vom lieben Gott
bestraft werden“.
„Wer es fassen kann, der fasse es.“
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des Weltalls und Königin der Armen Seelen. Alle
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